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Aus: Ausgabe vom 25.03.2024, Seite 4 / Inland
Israel-Lobby in der BRD

Pranger für Antiimperialisten

Proisraelische Organisation JFDA hat Verbindungen in rechte und neokonservative Netzwerke
Von Susann Witt-Stahl
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Freunden der Regierung Israels offenbar ein Dorn im Auge: Palästina-solidarische Demonstration zum Internationalen Frauenkampftag in Berlin (8.3.2024)

Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) dokumentiert regelmäßig Fälle von Judenfeindlichkeit in der deutschen Gesellschaft. »Die Demonstration war von einer antisemitischen und israelfeindlichen Stimmung geprägt«, bescheinigt das JFDA etwa den vorwiegend migrantischen Feministinnen, die anlässlich des Frauentags am 8. März in Berlin Palästina-Solidarität bekundet hatten. Als »Belege« führt das JFDA in einem Facebook-Beitrag vom 12. März ein angebliches »An die Wand-Drängen« einer in eine Israelfahne gehüllten FDP-Politikerin »mit Parolen und aggressivem Verhalten« an. Ebenso fehlendes Gedenken an die Opfer des Hamas-Angriffs vom 7. Oktober und den Sprechchor »deutsche Medien lügen«.

Ähnlich vage und konstruiert kommen auch die Vorwürfe des JFDA in einem Posting vom 4. Februar gegen Teilnehmer der »Hand in Hand«-Demo gegen rechts im Februar vor dem Deutschen Bundestag daher: »Ceasefire Now!«- und »Freiheit für Palästina!«-Rufe sowie der Slogan »Israel bombardiert, Deutschland finanziert« werden als »Beweismaterial« präsentiert.

Die NGO, die 2008 mit Unterstützung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gegründet worden war und seit 2012 gemeinnütziger Verein ist, klärt mit »Bildungs-, Öffentlichkeits- und Kulturarbeit« auch über Rassismus und Hasspropaganda von Ultrarechten auf. Im Fokus ihres »Monitorings« stehen aber Antiimperialisten und andere Kriegsgegner. Von Lenin bis zu Teilnehmern der jährlichen Liebknecht-Luxemburg-Demos, die einfach nur »Frieden mit Russland« fordern – wie in einer Mitteilung von 17. Januar werden alle als »Antisemiten« abgestempelt, die der rechten Netanjahu-Regierung, der NATO und der kapitalistischen Weltordnung im Wege sind.

Das Vereinsregister (Stand: 12. Februar) liefert sachdienliche Hinweise zu den Beweggründen – auch der Frage, warum die NGO »deutschlandfeindliche Parolen« anprangert: Der Schatzmeister des JFDA, Amir Makatov, ist Redakteur des rechten Nachrichtenportals Nius von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt. Der Krawallkanal ist auf »Kriminelle-Ausländer«-Jagd spezialisiert. Entsprechend skandalisierte das Portal am 20. März das Einreiseverbot für den Kopf der »Identitären Bewegung«, Martin Sellner, der vergangenen November bei einem Geheimtreffen in Potsdam mit Politikern der AfD und CDU Pläne für die »Remigration« von Migranten erörtert hatte.

Amir Makatov deckt auf Nius regelmäßig angebliche islamisch-bolschewistische Verschwörungen von Anhängern »sozialistischer Massenmörder« wie Che Guevara und Muslimen mit »Hass auf Deutschland« auf. Das Land verwandele sich »in ein von linker Ideologie begünstigtes Kalifat«, hatte Makatov am 7. November 2023 gewarnt, er beklagte damals, dass Bürger, die ihre Familie »durch Waffenbesitz schützen« wollen, »kriminalisiert« werden. Wie unter dem Motto »Keine rechte Gewalt ist keine Lösung« zeigt das JFDA-Vorstandsmitglied auch Sympathie für das »Russische Freiwilligen Korps« (RDK), das sich aus Neonazis unter anderem aus dem Umfeld der Partei »Der III. Weg« und der »Wotanjugend« rekrutiert.

Makatov lässt die proukrainische Faschistengang auf Nius nicht nur als »russische Widerstandskämpfer gegen das Putin-Regime« ausführlich zu Wort kommen. Indem er in einem Beitrag vom 21. Februar die plumpe Lüge von ihrem Anführer, »White Rex« Denis Kapustin, die Mitglieder des RDK seien weder Neonazis noch weiße Suprematisten, unwidersprochen weiterverbreitet, positioniert er sich noch rechts von der AfD.

Makatov ist keine Ausnahme: Mit Kirsten Tenhafen von den neokonservativen Iran-Kriegs-Lobby-Netzwerken »Stop the Bomb« und »Scholars for Peace in the Middle East« – letztere kooperieren mit den evangelikalen »United Christians for Israel« in den USA – findet sich eine weitere Rechte im Vorstand des JFDA. Auf der Liste der Erstunterzeichner und Unterstützer der zuletzt 2019 aktualisierten »Grundsatzerklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus« des Vereins versammelt sich neben Roderich Kiesewetter (CDU) und Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) allerlei andere Prominenz der Stahlhelmfraktion des Bundestags. Auch Wolfgang Seibert darf nicht fehlen, ein Zionist und vorbestrafter Betrüger, der sich mit einer gefälschten jüdischen Identität das Amt des Vorstehers der Jüdischen Gemeinde Pinneberg erschlichen und deren Gelder veruntreut hatte – bis er 2018 aufflog, wie die Taz am 9. Dezember 2023 berichtete.

Nur konsequent wirkt da, dass antizionistische Juden, die sich dem zivilgesellschaftlichen Protest gegen den Gazakrieg anschließen, vom JFDA bekämpft werden. So beteiligt sich der Verein gegenwärtig an einer Kampagne gegen die Organisation »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«. Schützenhilfe kommt aus der Partei Die Linke von Dietmar Bartsch und Petra Pau, die die jüdischen Linken in Stellungnahmen zu einer am 6. März veröffentlichten Broschüre mit geschichtsrevisionistischen Vergleichen politisch in die Nähe von Holocaustleugnern, Faschisten und anderen Antisemiten rücken.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gion H. (24. März 2024 um 21:28 Uhr)
    Vielen Dank für diesen wichtigen Artikel. Aus der Schweiz kann man dazu melden, dass auf dem investigativen Online-Portal infosperber.ch vom 23. März 2024 ein Beitrag zu lesen ist, dass über Jahrzehnte der israelischer Geheimdienstmitarbeiter Horst J. Andel als »Nahostkorrespondent aus Beirut« die öffentliche Meinung durch Berichte in etlichen Tageszeitungen manipulierte. Auch im »jugendinfo« auf Telegram wird scharf mit der Antisemitismuskeule und dem Vorwurf »antiisraelisch« (was ja immer auch gleichbedeutend mit antisemitisch gemeint ist) zu sein, geschossen, wenn man die israelische Armee IDF des Völkermords und in der völkermörderischen Tradition der zionistischen Terrorgruppen Irgun, Stern und Hagana stehend anklagt.

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