In Bewegung bleiben!
Nun gilt es, die konkrete politische Arbeit an jedem Ort weiterzuführen - oder aufzunehmen. Auch hier ist die junge Welt dabei.
Der Online-Journalismus soll bei der jungen Welt Perspektive haben.
Eine andere Welt möglich machen - frei von Krieg und Unterdrückung, Ausbeutung und Umweltzerstörung. Eindrücke von den Protesttagen. Von unserem Bildreporter Christian Ditsch/Version und AP-Fotografen
Mindestens 12 Teilnehmer der G8-Proteste sind heute beim Schwimmen vor Kühlungsborn von Zivilpolizisten in Badehosen festgenommen worden.
Nach Informationen des anwaltlichen Notdienstes befanden sie sich auf Privatgelände, das zu dem Hotel gehörte, in dem während des G8-Gipfels das offizielle Medienzentrum untergebracht war. Ein Teil der unerwünschten Badegäste sei zunächst von Angehörigen eines privaten Sicherheitsdienstes am Strand festgehalten worden – andere mußten wenig später von leicht bekleideten Zivilpolizisten aus dem Wasser gefischt werden.
Zwei der Festgenommenen, darunter eine schwangere Frau, sollen inzwischen wieder freigelassen worden sein.
(jW)
Rostock - Rund 500 G8-Gegner haben sich nach Informationen des Fernsehsenders n-tv nach der Abschlußkundgebung im Rostocker Stadthafen zu einer Spontandemonstration formiert und auf den Weg zur Gefangenensammelstelle (Gesa) im Polizeirevier Ulmenstraße gemacht.
Die Solidaritätsaktion für noch inhaftierte Gipfelgegner darf nach jW-Informationen jedoch nicht vor dem Polizeirevier stattfinden. Die Teilnehmer seien von der Polizei angewiesen worden, mit der benachbarten Maßmannstraße als Kundgebungsort vorlieb zu nehmen, berichtete das Legal Team des Anwaltlichen Notdienstes.
(jW)
Der angebliche »Autonome« war tatsächlich ein Beamter aus Bremen. Staatsanwaltschaft will eventuell ermitteln.
Noch am Donnerstag hatte die Sondereinheit »Kavala« entrüstet bestritten, ein von Demonstranten enttarnter »Autonomer« sei in Wirklichkeit Zivilbeamter. Schon am Freitag mußte sie zugeben, daß der Mann tatsächlich Polizist ist, und zwar aus Bremen. Seine einzige Aufgabe sei jedoch gewesen, verdeckt Informationen über Straftaten zu sammeln. G-8-Gegner jedoch haben den Vorgang anders in Erinnerung: Demnach hatte der Mann zusammen mit vier ebenfalls als »autonom« getarnten Kollegen versucht, tschechische Globalisierungsgegner zur Randale anzustiften.
Bis Freitag waren bei der jungen Welt mehrere ähnlich klingende Berichte von Demonstrationsteilnehmern eingegangen. Da war immer wieder die Rede von sonderbaren »Autonomen«: Bei den einen schimmerte unter nagelneuem Szene-Outfit olivgrüne Unterwäsche durch. Andere weigerten sich, gegenüber Mitdemonstranten auch nur ihre Vornamen zu nennen. Einzelne »Autonome« wurden bei Lagebesprechungen der Einsatzkräfte gesehen; hin und wieder wurden festgenommene Steinewerfer im Unterschied zu »normalen« Demonstranten nicht nur mit Samthandschuhen angefaßt – es wurde ihnen sogar die Möglichkeit gegeben, sich hinter der Polizeikette zu verkrümeln. Trotz aller Beschönigungen, Beschwichtigungen und offenen Lügen: Höchstwahrscheinlich haben die Sicherheitsorgane bei den G-8-Protesten Provokateure eingesetzt.
Das war offenbar auch nötig, da unmittelbar vor Beginn des Gipfels die öffentliche Meinung zu kippen drohte: Geruchsproben, einschüchternde Razzien, die Hamburger Postkontrolle, »Schutzhaft«-Androhungen, zusätzliche Grenzkontrollen und andere »Sicherheitsmaßnahmen« hatten immer empörtere Kommentare und Schlagzeilen zur Folge. Wie bestellt kam da die Randale, die die Fernsehbilder zur G-8-Demonstration am vergangenen Samstag in Rostock prägte. Zu den Straßenschlachtszenen hatte nicht zuletzt eine berüchtigte Polizeisondereinheit aus Berlin beigetragen, die offenbar erst in dem Augenblick eingesetzt wurde, als die Demonstration einen allzu friedlichen Verlauf zu nehmen schien. Zuvor war dem aus Bayern stammenden Einsatzleiter das Kommando entzogen und einem Spezialisten aus Berlin übergeben worden.
Das »Informationsmanagement« der Polizei gipfelt in der offenen Lüge. Die Zahl der Demonstrationsteilnehmer in Rostock wurde mal eben auf 25000 gedrittelt – die der Angehörigen des schwarzen Blocks auf 4000 bis 5000 verdoppelt. Um die Polizei als Opfer erscheinen zu lassen, wurde die Zahl der Verletzten auf 433 aufgeblasen, wobei allerdings wohl jede Schramme und jeder abgebrochene Fingernagel mitgezählt wurde. Von den 30 angeblich schwer verletzten Beamten waren – wie Recherchen der junge Welt ergaben – nur zwei im Krankenhaus.
Nach den Rostocker Krawallen können Hardliner wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und sein bayerischer Kollege Günther Beckstein (CSU) erst einmal aufatmen: Kaum eine bürgerliche Zeitung stellt noch die 120 Millionen Euro für die Absicherung des G-8-Gipfels oder die Rechtmäßigkeit der Polizeiübergriffe in Frage. Darüber hinaus ist der Boden vorbereitet für weitere Polizeistaatsmaßnahmen. Mittlerweile wird ungeniert die Einführung von Gummigeschossen oder gar der Schußwaffeneinsatz ins Gespräch gebracht. Auch der Widerstand gegen den schon in Heiligendamm praktizierten Bundeswehreinsatz im Inneren dürfte schwächer werden.
Allerdings droht der Polizei jetzt von unerwarteter Seite Ärger: Die Staatsanwaltschaft Rostock erwägt laut ddp, gegen den Bremer Polizisten und seine vier Kollegen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Anstiftung zu einer Straftat einzuleiten. Aber warum nicht gegen die verantwortlichen Polizeikommandeure?
2000 Teilnehmer bei Alternativgipfel in Rostock sandten Grüße an Blockierer.
Über 120 Workshops und sieben Podiumsdiskussionen umfaßte das Angebot des dreitägigen Alternativgipfels der Antiglobalisierungsbewegung, der am Donnerstag abend in Rostock endete. Rund 2000 Personen aus 40 Ländern nahmen an den Veranstaltungen teil, wie Thomas Seibert von Mitveranstalter Medico International mitteilte. Auf dem Alternativgipfel hätten Vertreter von Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen und auch zahlreiche Bürger aus Rostock über Probleme wie Umweltschutz, Armut und Friedenspolitik diskutiert. Zu der Abschlußveranstaltung in der Rostocker Nikolaikirche, auf der die Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Schiva aus Indien sprach, kamen etwa 800 Menschen.
Sandro Mezzadra von der Universität Bologna plädierte dort für die Vielfalt der Bewegung und betonte, daß es keine Spaltung gebe zwischen den Aktionen draußen und dem Alternativgipfel. Von den zeitglich rund um Heiligendamm stattfindenden Blockaden wurden Grüße in die Nikolaikirche übermittelt, und ein älterer Mann rief: »Grüße zurück!« durch den Saal. Schließlich wurden Spenden für die Blockierer gesammelt. Ana Esther Cecena von der Universität UNAM aus Mexiko sah rund um den Zaun in Heiligendamm bereits Ansätze für »die andere Welt«, die es zu schaffen gilt. Vandana Schiva machte Mut für Aktionen des zivilen Ungehorsams. Angesichts der Klimakatastrophe, die Tausende Kleinbauern in Indien in den Selbstmord treibe, sei es wichtig, Widerspruch zu äußern. Es werde eine Kultur der Angst verbreitet, der eine neue Demokratie entgegengesetzt werden müsse.
Viele zogen eine positive Bilanz der Proteste gegen den G-8-Gipfel. Zum Beispiel Boris Kagarlitzky vom Insitut für Globalisierungsstudien in Rußland, der von der mangelnden Berichterstattung über Kritik am G-8-Gipfel 2006 in St. Petersburg berichtete. »Dieses Mal sieht es so aus, als ob wir gewinnen. Wir sind zurück und glücklich, danke Rostock!« freute er sich über die starke Beachtung der Proteste in der internationalen Presse.
Klimaverhandlungen mit der Bush-Adminstration sind vergeudete Zeit. Ein Gespräch mit Tobias Münchmeyer
Pressesprecher der Polizei müssen nicht zwingend gesprächig sein. Ein Interview mit Lüder Behrens, der sich als Pressesprecher der Polizeisondereinheit Kavala wortkarg, aber vielsagend zum Einsatz von Zivilbeamten und deren Funktion bei den Gipfelprotesten um Heiligendamm äußerte.
Ich bin da auskunftsfähig, indem wir sagen, wir haben dort eine Pressemitteilung herausgegeben, und weitere Kommentare geben wir zu dem Bereich aktuell nicht ab.
Dazu machen wir keine Kommentare.
Während dieser Tage sind rund 16000 Kollegen eingesetzt worden.
Da machen wir keine Kommentare zu.
Da machen wir ebenfalls keinen Kommentar zu.
Das habe ich ja auch nicht so gesagt. Ich mache da keine Kommentare zu.
Dazu machen wir auch keine Angaben.
Aktuell nicht. Aktuell haben wir eine Pressemitteilung herausgegeben und weitere Angaben können wir zur Zeit noch nicht machen.
Dazu machen wir keine Angaben.
Wir machen jetzt zu dieser Thematik keine Kommentare. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Und das, was Sie jetzt meinen, daß wir keinen Überblick haben – wie auch immer, das ist Ihre Feststellung.
Auf diese Frage kann ich Ihnen nicht antworten.
Da kann ich Ihnen auch nicht zu antworten, weil wir sicherlich im Rahmen eines Verfahrens wie auch immer dann sicherlich Auskunft dazu geben werden.
Dazu kann ich jetzt keine Antwort geben.
Anmerkung der Online-Redaktion: Auf nochmalige Nachfrage von junge Welt äußerte sich Lüder Behrens ähnlich vielsagend.
Die Polizei hat nach jW-Informationen vor wenigen Minuten ihre Kräfte vom Gelände der Abschlußkundgebung der G8-Protestgruppen wieder zurückgezogen.
Zuvor waren diese durch provozierendes Verhalten aufgefallen. Mittlerweile haben auch die beiden noch erwarteten Demonstrationszüge den Veranstaltungsplatz am Stadthafen erreicht. Die Stimmung der Teilnehmer ist ausgelassen und fröhlich. Mit Sprechchören wird der Erfolg Blockaden gefeiert: »Soooo sehen Sieger aus!«
(jW)
Die Abschlußkundgebung der G8-Protestgruppen am Rostocker
Stadthafen wird derzeit massiv von Polizeikräften gestört.
Nach jW-Informationen treten die dort präsenten Polizeikräfte der 24. Berliner Einsatzhundertschaft gereizt und provozierend auf und gefährden einen friedlichen und ungestörten Ablauf der Veranstaltung. Nach dem Rückzug der sogenannten Anti-Konflikt-Teams der Polizei werden regelmäßig nach Augenschein Teilnehmer aus der Menge herausgegriffen und festgenommen.
Mehrere Tausend Menschen haben sich derzeit am Hafen versammelt, zwei Demonstrationszüge befinden sich noch auf dem Weg zum Veranstaltungsort.
(jW)
Rostock - Die Polizei hat den Einsatz eines Beamten in Zivil während der Blockadeaktionen am Sicherheitszaun von Heiligendamm bestätigt.
Der Mann habe aber nicht den Auftrag gehabt, Demonstranten zu Straftaten oder Störungen anzustiften, erklärte die Polizei, nachdem Blockadeteilnehmer der Presse von gegenteiligen Beobachtungen berichtet hatten. Nach Polizeiangaben sollte er lediglich Informationen über die Planung und Begehung von gewalttätigen Aktionen sammeln. Der Einsatz solcher zivilen Kräfte sei Bestandteil der »Deeskalationsstrategie« und diene ausschließlich der »beweiskräftigen Feststellung von Gewalttätern«.
Der Zivilbeamte aus Bremen sei am Mittwoch in der Blockade an der Galopprennbahn eingesetzt worden, wo ihn Demonstranten aus dieser Region erkannt hätten, erklärte die Polizei. Er sei daraufhin »angegriffen und gewaltsam aus der Menschenmenge gedrängt« sowie leicht verletzt worden. Dem Eingreifen friedlicher Globalisierungskritiker sei zu verdanken, daß es nicht zu schwereren Verletzungen gekommen sei.Auch vor den Gipfelprotesten in Genua 2001 hat die italienische Linke zuerst im eigenen Lager durchgegriffen. Die damaligen »Dissobedienti« schützten sich nur mit Plastikschildern und Helmen gegen die Polizei. Wer dieses Konzept des »Ungehorsams« mit Steinwürfen störte, wurde alles andere als zimperlich behandelt.
Wenn die radikale Linke auch in Deutschland zu einem relevanten Faktor der neuen Bewegungen zu werden will, muß sie sich von ihren alten Riten und Aktionsformen verabschieden. Und bitte auch von ihrer dunklen Lieblingsfarbe. Der schwarze Block konnte vielleicht in den fetten 80ern die Hamburger Hafenstraße verteidigen. Für die heutigen Auseinandersetzungen mit ihren immer schärferen sozialen Konflikten ist er so ungeeignet wie eine Sturmhaube beim Küssen.
Rostock - Die am Donnerstag beim Schlauchboot-Protest vor dem G8-Gipfelort Heiligendamm verletzten Greenpeace-Mitglieder haben inzwischen das Krankenhaus wieder verlassen.
Greenpeace-Sprecher Karsten Smid erklärte in Rostock, die insgesamt sechs Schlauchbootfahrer seien mit einigen Prellungen davon gekommen, als Polizeiboote versuchten, ihre Boote aufzubringen. Die Wasserschutzpolizei sei mit ungewöhnlicher Härte gegen die Aktivisten vorgegangen. Die Sicherheitskräfte hatten die Greenpeace-Boote nach deren Eindringen in die Sperrzone vor Heiligendamm gewaltsam abgedrängt und zwei von ihnen überfahren.
Smid betonte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, die Polizei sei kurz vor der Aktion informiert worden. Darüber hinaus bot der Greenpeace-Sprecher der Polizei ein Schlauchboot-Fahrtraining an, »um künftig Verletzte vermeiden zu können«.
(AFP/jW)