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29.09.2017, 20:27:01 / #jetztaberAbo

Anker in der Torstraße

Vor zehn Jahren wurde die jW-Ladengalerie in Berlin eröffnet. Am 7. Oktober wird gefeiert
Von Arnold Schölzel
Volle Ränge gehören zum Programm
Carmen-Maja Antoni (Schauspielerin)
Moshe Zuckermann (israelischer Soziologe und Professor für Geschichte und Philosophie)
Domenico Losurdo (italienischer Autor)
Rolf Becker (re., Schauspieler) im Gespräch mit Stefan Huth (li., jW-Chefredakteur)
Peter Bause (Schauspieler)
Elfriede Brüning (Schriftstellerin)
Dietmar Dath (Autor und Journalist)
Alberto Berbes Sainz de la Torre (Sekretär der kubanischen Botschaft), Hans Modrow und Gesine Lötzsch (Partei Die Linke)
Kurt Pätzold (Historiker und Autor, 1930–2016)
Gisela Steineckert (Schriftstellerin und Lyrikerin)
Ronald Paris (Maler und Grafiker)
Thomas J. Richter (Maler und Grafiker)
Gabriele Senft (Fotografin)
Figur (Manfred Wekwerth) der Berliner Bildhauerin Christiane Rößler
Austellung »Requiem - Menschenbilder« des armenischen Künstlers Archi Galentz
Momentaufnahme während einer Veranstaltung zum Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa (Mai 2014)
Buchveröffentlichung »Lenin – Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«
Volker Braun (Schrifsteller)

Schiffe, genauer Boote, in denen Menschen über Meere oder Seen fahren, kommen auf den Bildern des Malers Thomas J. Richter oft vor. Auch auf seinen Grafiken, die er für die junge Welt entworfen hat. Das Wesen dieser Tageszeitung und ihre Situation trifft das: Sie behauptet sich auf einem sogenannten Medienmarkt, auf dem sich vor allem einige Milliardäre tummeln, für die Zeitungen (und deren Personal) Wegwerfproduke, bestenfalls Spielzeug sind. Jüngstes Beispiel ist der Umgang der in Köln ansässigen DuMont Mediengruppe mit ihrer 100prozentigen Tochter Berliner Zeitung: Seit dem Sommer steht das zu DDR-Zeiten errichtete Haus des Berliner Verlages am Alexanderplatz, in dem einst auch die Junge Welt ihr Domizil hatte, leer, weil die Redaktion der Berliner Zeitung faktisch aufgelöst und nach Entlassung zahlreicher Mitarbeiter zu schlechteren Bedingungen in einem anderen Gebäude neu eingerichtet wurde. Die Immobilie am Alexanderplatz dürfte einer renditeträchtigen Verwertung zugeführt werden.

Das Wasser kapitalistischer Zeitungsmarkt, auf dem sich auch das Schifflein junge Welt bewegt, ist in Wirklichkeit eine Brühe, in der sich vor allem die Dickschiffe sogenannter Verleger tummeln, deren asoziale Niedertracht durch die reaktionäre Gesinnung, mit der sie die Katastrophen ihrer Gesellschaftsordnung tünchen lassen, jederzeit übertroffen wird.

Um so bemerkenswerter erscheint nicht nur die Existenz dieser Zeitung selbst, sondern auch die ihrer Ladengalerie. Sie wurde einige Monate nach dem Umzug von Verlag und Redaktion in das Bürogebäude Torstraße 6, einen Steinwurf vom Berliner Verlag entfernt, vor jetzt zehn Jahren eröffnet – unter Mitwirkung von Thomas J. Richter, geleitet wird sie seit damals von Michael Mäde. Das 2007 schon einige Zeit leerstehende Erdgeschoss des Hauses hatte etwa zehn Jahre lang ein Autohaus beherbergt. Mäde, Richter und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schafften in den nun vergangenen zehn Jahren etwas, was nicht wenige auch unter den jW-Kollegen als nicht machbar, zumindest als hoch riskant ansahen: Die Ladengalerie hat heute einen festen Platz als Veranstaltungszentrum im kulturellen und politischen Leben Berlins. Sie ist so etwas wie der Anker des jW-Schiffes, ein Punkt, an dem die Hektik des Tageszeitungsbetriebs in Ruhe und Reflexion übergeht, ein Ort, an dem fast im Wochentakt Redakteure und Autoren mit Leserinnen und Lesern sprechen – auf mehr als 500 Veranstaltungen mit über 30.000 Besuchern bis heute. Die Galerie behauptet sich in einer Veranstaltungsszenerie, die täglich neben Eventschwachsinn jede Menge Besuchenswertes anbietet. Mitten in einer Galerielandschaft, die so ziemlich alles zu bieten hat, was der sogenannte Kunstmarkt hergibt. Der sorgt allerdings kaum für Konkurrenz, es genügt, Namen wie Tina Modotti, Jewgeni Chaldej oder Roberto Chile zu nennen, deren Fotografien hier zu sehen waren. Oder Ausstellungen, wie die mit Bildern von DDR-Künstlern zum faschistischen Putsch in Chile 1973, wie die mit Kunst gegen den Krieg, die mit Hilfe großzügiger Sammler zustande kam. Sie haben woanders in Berlin kaum einen Ort. Das gilt auch für die bisher vier Ausstellungen mit DDR-Durckgrafik aus der jW-Kunstsammlung, aber auch für die zahlreichen Einzelausstellungen. Die Präsentation proletarisch-revolutionärer, antifaschistischer und sozialistischer Kunst ist an diesem Ort kein Beiwerk, sondern Programm. Die Musikerinnen und Musiker, die Schauspielerinnen und Schauspieler, die Autorinnen und Autoren, vor allem aber die Besucherinnen und Besucher, die hier im Verlauf der zehn Jahre waren, fanden eine Umgebung vor, in der linke Gegenkultur, die eigene Kulturtradition von Arbeiterbewegung und Widerstand die Atmosphäre bestimmen. Das kommt an.

Dennoch: Der Ankerplatz in der Berliner Torstraße ist keine Selbstverständlichkeit. Hier muss stets neu vertäut werden. Anker, heißt es im Lexikon, halten aufgrund ihres Gewichtes und ihrer Form. Das gilt auch hier.

Auf dem Wege. Zehn Jahre junge Welt-Ladengalerie. Veranstaltung in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Sonnabend, dem 7. Oktober 2017, in der jW-Ladengalerie, Torstr. 6, 10119 Berlin. Einlass ab 17.30 Uhr, Beginn 18.00 Uhr. Mit: Esther Esche, Nicolas Miquea, Anja Panse, Gina Pietsch, Arnold Schölzel (jW) u. a. mit Texten von Gonzalo Rojas, Georg Maurer, Eberhard Esche und Peter Hacks.

Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 7 Euro. Um Anmeldung wird gebeten, Tel.: 030/53635556, E-Mail: mm@jungewelt.de. Öffnungszeiten der Galerie: Montag bis Donnerstag 11 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 14 Uhr

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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