»Afrikaner, Indianer etc.«
Von Dietmar KoschmiederAm vergangenen Wochenende fand die XXIII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz der Tageszeitung junge Welt in Berlin statt, zu der sich mehr als 2.900 Teilnehmende aller Altersgruppen und sozialen Schichten aus dem In- und Ausland trafen. Über dieses außerhalb der Bundesrepublik viel beachtete Ereignis berichtete keine einzige der anderen überregionalen deutschen Tageszeitungen, also nicht einmal Taz oder Neues Deutschland. Selbst in den regionalen Berliner Zeitungen fand man kein Wort über diese Veranstaltung, deren Fokus in diesem Jahr auf Afrika lag. Viele Menschen von dem Kontinent kamen zu Wort, so der Umweltaktivist und Träger des alternativen Nobelpreises Nnimmo Bassey aus Nigeria, die ehemalige Sozialministerin Clotilde Ohouochi (Côte d’Ivoire) oder der Philosoph Achille Mbeme aus Kamerun. Der einzige deutschsprachige Referent, der Journalist Jörg Kronauer, berichtete über deutschen Imperialismus von 1881 bis 2017 in Afrika und beschrieb alte und neue Formen kolonialer Ausbeutung.
Dank Kolonialherrschaft
Auch die Berliner Zeitung verlor kein Wort über die Konferenz, obwohl ihr Autor Nikolaus Bernau noch am 29.12.2017 in der Zeitung schreiben durfte, dass er sich 2018 »auf weitere Kolonialismus-Debatten« freue. Damit meinten er und seine Zeitung allerdings eine ganz andere Art von Debatte: »Ohne die deutsche Kolonialherrschaft wäre heute nicht das weltweit größte frei aufgestellte Saurierskelett im Berliner Naturkundemuseum zu sehen. Im künftigen Humboldt-Forum gäbe es weniger prachtvolles Kunstgewerbe aus den kaiserlichen Sammlungen Chinas, keinen Thron der Könige von Bamun, kein Kriegsschiff aus dem Pazifik.« Imperialistische Ausbeutung nutzt also uns Europäern, aber wie ist das mit den Menschen, die beraubt werden? Auch das sieht Herr Bernau ganz gelassen ganz anders: »Nach allen bisherigen Untersuchungen wurden nur wenige Bestände in den ethnologischen und naturkundlichen Museen Europas, Nordamerikas und Russlands geraubt, geplündert oder erbeutet.« Wie bitte? Wie sollen denn Engländer, Spanier, Franzosen und Deutsche, um nur einige der Kolonialherren zu nennen, denn sonst an die lokalen Kulturgüter gekommen sein? »Weit mehr als 90 Prozent (…) waren Handelsware.« So gesehen gibt es auch heute keineswegs neokoloniale Ausbeutung, geplünderte Rohstoffe sind ja Handelswaren. Auch Menschen können Handelsware sein: Afrikanische Sklaven wurden nach Tonnen Lebendgewicht verkauft.
Unsere Kultur?
Von Initiativen werde immer wieder gefordert, solche Museumssammlungen einfach an die Ursprungsländer zurückzugeben, echauffiert sich Herr Bernau. Das sei Populismus, denn »Afrikaner und Indianer etc.« seien »nicht nur Opfer, handelten oft selbstbewusst aus eigenem Interesse«. Schließlich ergreift er doch noch das Wort für die Interessen des gemeinen Volkes: »Welche Mitsprache haben eigentlich diejenigen, die oft seit fast 200 Jahren als Besucher der Museen mit diesen Objekten leben, denen sie längst zum Teil der eigenen Kultur geworden sind?« Offensichtlich verhält es sich also so, dass irgendwelche Eingeborenen heute daherkommen, um uns Europäern die eigene Kultur zu stehlen.
Abfallprodukte für Afrika
Auch Lebensmittel sind Handelsware: Abfallprodukte aus der europäischen Massentierhaltung werden subventioniert nach Afrika verschifft, um dort die Märkte zu überschwemmen. Mit verheerenden Folgen für die lokalen Kleinbauern, die preislich nicht konkurrieren können. Moderne Formen neoliberaler Ausbeutungsverhältnisse – aber auch dafür wird man in der Berliner Zeitung eine passende Handelserklärung finden.
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