Eine Verbohrung
Von Arnold SchölzelKeine soziale Bewegung ohne Durchgeknallte, Irrläufer, Fanatiker, Schwätzer, Profilneurotiker oder sonstwie, sagen wir, labile Persönlichkeiten. Bernd Leix schildert in »Blutspecht« eine solche bizarre Figur. Hintergrund ist die Auseinandersetzung um die Errichtung des Nationalparks (Nord-)Schwarzwald in Baden-Württemberg. Jahrzehntelang gab es darum in der Landesregierung ein Hin und Her, die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden war mindestens gespalten, Gegner und Befürworter organisierten sich, es herrschte Unversöhnlichkeit. Aber die Koalition aus Grünen und SPD im Stuttgarter Landtag setzte sich 2013 durch, seit dem 1. Januar 2014 gibt es das Schutzgebiet. Wer heute auf der Website von dessen Kritikern nachschaut, kann dort immer noch von »Wildnisideologie« und »Erst Grün – dann Rot – dann Tod« lesen und davon, dass der Borkenkäfer 2017 den Schwarzwald frisst. Leix, der im Hauptberuf Revierförster ist, hat zu dem Thema 2013 schon den Krimi »Mordschwarzwald« veröffentlicht. Der Täter in »Blutspecht« ist ein sozialer Typus, wie er im Ländle wohl öfter vorkommt: reicher Erbe, nur gelegentlich noch beruflich tätig (im Holzhandel), Sozialdarwinist, keine längeren Beziehungen, Nachbarn gegenüber höflich, aber verschlossen, selbsternannter Welt- oder wie hier Nutzwaldretter. Der Leser erlebt die kaltblütig verübten Taten von Beginn an im Detail mit – Briefbombe, Autosprengung, Schuss ins Knie und in die Stirn. Getroffen werden soll jeder, der im zukünftigen Nationalpark arbeitet, »Kollateralschäden« spielen keine Rolle. Der Verfolger, ein gemütlicher Kommissar der Kombinierersorte, kommt schließlich drauf: »Ein Verbohrter, ein Überzeugter, ein Unbeugsamer, aber kein Vollprofi«. Die Verbohrung ist der Fehler, denn die »perfekt« geplanten Anschläge hinterlassen Spuren. Fangen lässt sich der Mörder nicht, das Selbstmordende inszeniert Leix konsequent. Die Mentalität, die diese Perversion eines Selbsthelfers – Götz von Berlichingen kam auch aus dem Landstrich – antreibt, passt in ein Land, in dem an Kriegen ungerührt festgehalten wird, auch wenn sie wie in Afghanistan 16 Jahre dauern, außer Tod und »Kollateralschäden« nichts bewirken. Verbohrt.
Bernd Leix: Blutspecht. Oskar Lindts neunter Fall. Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2014, 245 Seiten, 11,99 Euro
Jetzt das junge Welt-Sommerabo bestellen: drei Monate junge Welt für 62 Euro (statt 110,20 €). jungewelt.de/sommerabo
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!