Leserbrief zum Artikel Fall Susanna: Verdächtiger gesteht Tötung
vom 12.06.2018:
Vorlage für Rechtsaußen
Vergewaltigung, Mord an einem jungen Mädchen – wer wollte es nicht verurteilen, entsetzt sein, emotional betroffen sein und harte Strafe fordern? Warum aber, und das ist unüberseh- wie hörbare Tatsache, ist es offenbar ein wesentlicher Unterschied, wenn Mord und andere Straftaten von Flüchtlingen, Asylbewerbern, Ausländern, Andersgläubigen, von Fremden begangen werden? Sind Mord und Gewalttaten nur bei Fremden, anderen Rassen usw. genetisch angelegt? Darf bei aller lautstarken, wie bestellt erscheinenden Empörungswut und gleich damit verbundener Asylverschärfung, Strafen usw. gar nicht einmal mehr gefragt werden, welche anderen Umstände und Bedingungen außer der Rasse von Bedeutung sein könnten? Politik warnt wieder heuchlerisch und ganz artig vor Pauschalisierung des neuerlichen Mordfalls. Hat Politik nicht in zahllosen Nachrichten, Berichten zum Fall, zu den erwünschten Fällen nicht längst genau das bewusst, wissentlich getan und mit der Folge von Pauschalisierung, von Kriminalisierung und Verallgemeinerung das Bild der Mörder, Gewalttäter ganz genau geprägt nach den Merkmalen, die es haben soll? Die Methode ist nicht neu, aber noch genauso verbrecherisch. Sage niemand, dass es keine Unterschiede in der Beurteilung von Mord und Gewalt gäbe. Es ist seltsam, wenn in einem Lande deren Regierende ebenso wie das Volk so sehr und viel Menschenrechte beschwören, einklagen, stolz erkämpft haben wollen und dann Menschen mit zweierlei Maß messen, nach Rasse, Religion, Nation, nach dem Kriterium »Deutscher oder Flüchtling« unterscheiden. Regierende »warnende« Politik gibt AfD und Co. doch nur die Vorlagen für deren eindeutig rassistische Antiasylpolitik, womit sie irgendwann natürlich nichts zu tun gehabt haben will, das sie alles nicht gewollt und wovor sie immer gewarnt habe. Wovor? Die einfachste, heilsamste Lösung wäre, jeden Mord, wirklich jeden und auch alle Morde und Gewalttaten sogenannten rechten oder linken Hintergrundes in gleicher Wort- und Tonart zu kommentieren, mit gleichem Aufsehen und Zeitaufwand usw. Weil das nicht geschieht, können AfD und Co. so fordernd auftreten, Gedenken heucheln, weil Hunderte Morde seit Jahren unter den Tisch fallen.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.06.2018.