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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Bahlsen-Erbin relativiert Nazizeit vom 15.05.2019:

Es gibt kein »Wir«

(…) Da ist eine Erbin eines Unternehmens, Verena Bahlsen, die der Bild (…) erklärt hatte: »Das war vor meiner Zeit, und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt« (Bild, 11.5.). Und dies posaunt sie in die Landschaft, kurz nachdem sie offenbart hatte, dass sie freudige Erbin sei, Kapitalismus toll finde und auf Yachten stehe (Handelsblatt, 8.5.). Proteste ob dieses traurigen Schwachsinns über die Zwangsarbeiter zwangen die Bahlsen-Erbin (also die Firma!) dann zu einer zügigen Selbstkritik; der Konzern hat immerhin viele Kunden und Ansehen zu verlieren. (…) Zuletzt heißt es über Frau Bahlsen: »Außerdem habe sie erkannt, dass sie sich intensiver mit der Geschichte des Unternehmens, dessen Namen sie trägt, beschäftigen müsse: ›Als Nachfolgegeneration haben wir Verantwortung für unsere Geschichte; ich entschuldige mich ausdrücklich bei all denen, deren Gefühle ich verletzt habe.‹ (…)« (Hamburger Abendblatt, 17.5.). Und dann lesen wir noch in der WAZ: »Kekshersteller Bahlsen hat in der NS-Zeit nicht nur Zwangsarbeiter ausgebeutet. Die Familie hat das Regime von Beginn an unterstützt.« Und: »Die Brüder Hans, Klaus und Werner, die damals im Bahlsen-Vorstand saßen, (waren) Mitglieder der NSDAP und der SS« (WAZ, 17.5.).
Aha. Also »wir«, sagte sie? »Wir« als gemeinsame Nachfolgegeneration der Faschistenbrüder und SSler Bahlsen haben Verantwortung für »unsere« Geschichte wahrzunehmen? Meint sie sich und uns? Wen meint sie? Die Nachfahren der Zwangsarbeiter? (…) Meine Genossen, die wegen ihres Kampfes gegen den Faschismus im KZ waren, von den Mordkumpanen ihrer Verwandten gefoltert und abgemurkst wurden oder sich im Strafbataillon abknallen lassen durften? Meint sie dies getreu dem Motto: Der Krieg ist ja vorbei, jetzt machen wir bitte wieder »Wir« und »Volksgemeinschaft«? Das möge Frau Bahlsen vergessen, denn: Es gibt kein »Wir« zwischen den Konzernen der im Faschismus reich Gewordenen und den von ihnen Geschundenen, es gibt nur ein Oben und Unten, ein Nichtvergessen, ein »Niemals wieder« (…).
Martin Emko
Veröffentlicht in der jungen Welt am 27.05.2019.