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Leserbrief zum Artikel Zapfenstreich für Ursula von der Leyen vom 17.08.2019:

Wind of Change

Nun ist Ursula von der Leyen mit dem üblichen Szenario aus ihrem alten Amt als Bundesministerin der Verteidigung auf dem Hof des geschichtsträchtigen Bendlerblocks verabschiedet worden. Sie hatte mit der Übernahme dieses Amtes den Anspruch formuliert, die Bundeswehr von Grund auf zu modernisieren. Und das nicht nur in bezug auf die Wehrtechnik, sondern auch das Traditionsgefüge, wofür es auch eine Reihe aktuelle Vorkommnisse gab. Diesbezüglich startete sie auch mit fulminanten Ansagen, die ihr reihenweise Ärger aus der Bundeswehr und diversen militärisch angelehnten Verbänden und Politikern einbrachten. Was ist zu konstatieren? Diesbezüglich ist nicht viel auf der Habenseite zu verbuchen, was sie möglicherweise auch in der Wahl ihres Wunschliedes »Wind of Change« zum Ausdruck bringt. Es ist noch nicht lange her, dass sie als Verteidigungsministerin u. a. die Ausstellung von Waffen der Wehrmacht in »Traditionszimmern« von Kasernen kritisiert hatte. Das hat sich schnell geändert, denn die Ehrenkompanie, die bei den großen Zapfenstreichen auftritt, ist »traditionsgemäß« mit dem »Wehrmachtskarabiner 98« ausgerüstet. Das ist übrigens die Waffe, mit der Graf Schenk und die unmittelbaren Mitverschwörer des 20. Juli auf dem Hof eben dieses Bendlerblocks erschossen wurden, fast zeitgleich vor nunmehr 75 Jahren. Rein hypothetisch könnte einer der Soldaten der Ehrenkompanie die dabei verwendete Waffe zu Ehren von Frau von der Leyen in Händen gehalten haben. »Wind of Change« halt.
Jochen Seemann
Veröffentlicht in der jungen Welt am 22.08.2019.