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Leserbrief zum Artikel Verkehrswende: Hintergrund: Teures Auto, teure Bahn vom 12.09.2019:

Kultiviertere Alternative

In welchen »ländlichen Gegenden« ist ein Umstieg auf Bus und Bahn »mangels Vorhandensein« nicht möglich? In Frankreich leider fast überall – oder eben nur mit viel Geduld und Idealismus; in der Schweiz besteht die Option flächendeckend; bundesdeutsche Regionen liegen bunt gemischt dazwischen: in Teilen der Eifel fast so schlimm wie in Frankreich, Oberschwaben reicht dagegen schon fast an die Schweiz heran. In Hessen verstanden es die Grünen, selbst aus dem Mitregieren heraus (gar mit den unvermeidlichen, ÖV-feindlichen Schwarzen!) mit sehr populärer ÖV-Verdichtung zu punkten. Luxemburg bietet neuerdings sogar Nulltarif! Als der Verbund Rhein-Sieg (VRS) dies grad mal für einen Sonntag schaffte, war ich allerdings enttäuscht, in meinem »bergischen Wanderbus« (Wermelskirchen–Odenthal) auf engen Sträßlein von etwa ebenso vielen nicht StVO-gerecht ausweichenden Pkw-Dreckschleudern blockiert und verspätet zu werden wie an anderen Sonntagen auch – und zugleich erfreut, dass andere Fahrgäste den preiswerten Sonntag bereits als Erfolg Greta Thunbergs und der »F4F« werteten, der in Wahrheit schon seit Jahren ein Werbegag des VRS ist.
Zwickmühle der Verbraucher: Da leider auch der Verkehr seit 1994/96 verstärkt irgendwelchen »Markt-« und »Wettbewerbs«-Phantasien à la FDP unterliegt, könnten wir durch unsere sinnvolle, nötige und auch kultiviertere Entscheidung für Bus statt Pkw und für Zug statt Flug schlimmstenfalls leider noch (!) höhere Preise bei dieser energetisch sinnvollen Alternative (durch erhöhte »Nachfrage«) bewirken. Fordern wir also – bei durchaus reger Nutzung! – sowohl dichtere Takte, bessere Anschlüsse, mehr Zuverlässigkeit, aber eben auch bezahlbare Preise – und zwar nicht nur für Schüler, Studierende, Senioren und eventuell Großstädter, sondern für alle! Dass Nulltarif möglich ist, zeigt nicht nur Luxemburg (nachdem es seinen Oberkorruptionspaten von der CVP/EVP endlich an die EU-Kommission losgeworden war), sondern auch die schlichte Tatsache, dass schon heute zwei Drittel der ÖPNV-Kosten auf Bund und Länder gehen – und gerade der Bund hat ja, siehe »Verteidigung«, offenbar Geld wie Heu.
Bernhard May, Solingen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.09.2019.