Leserbrief zum Artikel Maschinenbau: Nur noch 29 Prozent tarifgebunden
vom 26.11.2019:
Geschichtsvergessenheit
Dies ist nur einer von vielen Indikatoren, der eine zentrale Frage aufwirft, nämlich: Wie konnte es binnen so kurzer Zeit nur dazu kommen, dass die über Jahrzehnte in langwierigen, zähen und harten Arbeitskämpfen mühsam errungen Verbesserungen auf Seiten der Arbeiterschaft von dieser so schnell und widerstandsminimal wieder hergegeben wurden? Natürlich spielt neben dem kläglichen Versagen der Gewerkschaften der abermalige Verrat der SPD bei der gezielten Demontage des »Sozialstaates« und der Fragmentierung der Arbeiterklasse eine wesentliche Rolle. Aber ist das alleine schon eine hinreichende Erklärung? Lässt sich mit einem bloßen Mitgliedsbeitrag oder einem gelegentlichen Wahlkreuz die Klassenlage an Dritte tatsächlich einfach so »delegieren« und die Absicherung der eigenen Klasseninteressen als selbstverständliche »Gegenleistung« dauerhaft erwarten? Was hat die Arbeiterbewegung aus den Kämpfen ihrer Geschichte denn eigentlich gelernt? Geschichtsvergessenheit trübt nicht nur die aktuelle politische Wahrnehmung, gefährdet die unabdingbare Geschlossenheit und schwächt die notwendige Kampfkraft, sondern wird von den Revanchisten auch unmittelbar geahndet und gnadenlos für ihre eigenen Interessen ausgenutzt. Denn: »Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen.« (Marx/Engels: Das Manifest der Kommunistischen Partei, 1848) Und diese Klassenkämpfe (gleich Macht-, Überlebens- und Verteilungskämpfe) werden angesichts der durch die von Menschen verursachten weltweiten Klimakatastrophe ständig knapper werdenden Ressourcen mit zunehmender Brutalität geführt werden. Und wie gedenkt der Einzelne in diesem Existenzkampf dann wohl noch zu bestehen? Etwa mit einer individualisierten »Survival-App« oder täglich aktualisieren Ratschlägen von »Alexa«?