Fauler Kompromiss
Wilhelm II. hatte einen entmenschlichenden Vergleich einer Gruppe von Bürgern mit Mücken angestellt. Durch sein demokratieverachtendes Gebaren, welches in der Aufforderung zum Völkermord gipfelte, hat er die faschistische Bewegung und Partei befördert. So geiferte er gegen Juden und gratulierte Hitler zu seinen Erfolgen. Was Wilhelm in seinen Exiljahren von sich gegeben hat, ist in jeder Beziehung furchterregend. Seine antisemitischen und antidemokratischen Äußerungen sind so schlimm, als stammten sie von Goebbels, Himmler oder Hitler. Die heutigen Nachkommen von Wilhelm II. haben ganz offensichtlich nichts aus ihrer Familiengeschichte, die ganz eng mit Deutschlands dunkelsten Zeiten, dem Faschismus und millionenfachem Mord, korrelieren, gelernt. Die Vorstellung Friedrich Georg von Preußens, er bzw. seine Familie habe Anspruch auf den nach dem Sturz der Monarchie vor 100 Jahren enteigneten deutschen Kulturbesitz oder auf eine Einigung mit der Gemeinde St. Goar, auf einen Kompromiss, zeugt von Geschichtsvergessenheit und der gleichen Demokratieverachtung, die auch schon Wilhelm II. »auszeichnete«. Es ist ein fauler Kompromiss für die Bürger und eine okkupierende Anmaßung der Hohenzollern, die scharf zurückgewiesen werden muss. Dass ein SPD-Bürgermeister sich diesen unverschämten Menschen gegenüber so verhält, erinnert an Eberts sozialmonarchistische Haltung 1919, um Streit zu vermeiden, beim Adel nachzugeben.
Klaus Raddatz, Rehweiler
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.02.2020.