Schiller auch bald auf dem Index?
Also langsam wird’s mir zu blöd. Dass der Begriff »Ni...« für zivilisierte Menschen im öffentlichen und auch privaten Diskurs obsolet ist, versteht sich von selbst. Dass das Wort »Ne...« als abwertend wahrgenommen werden kann, erschließt sich mir noch. Aber man muss schon ganz schön Klimmzüge machen, um dem »Mohren« etwas Abwertend-Diskriminierendes anzuhängen. Erst kürzlich las ich meiner Enkelin den Struwwelpeter vor, und sie amüsierte sich königlich, wie der Mohr die beiden Vorläufer heutiger Neonazis ins Tintenfass tunkte. Ob sie das wohl ihren Kindern noch vorlesen darf, ohne als Rassistin verschrien zu werden? Was ist mit dem Theaterintendanten, der sich mit dem Gedanken trägt, mal wieder Schillerns Fiesco (»Der Mohr hat seine Schuldigkeit ...«) aufzuführen? Muss der mit Boykott rechnen, oder wird ihm gar das Haus angezündet? Wo soll der ganze Schwachsinn denn noch hinführen? Ich würde erst mal anfangen, alle Lothar-v.-Trotha-, Carl-Peters- und Lettow-Vorbeck-Straßen umzubenennen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es zu DDR-Zeiten solche gegeben hätte. Und zur Wahrheit gehört eben auch, dass das Schema »Weiße Bösewichte rauben arme unschuldige Schwarze und verkaufen sie als Sklaven« so nicht stimmt. Ohne Mithilfe anderer Schwarzer hätte der Sklavenhandel nie so aufgezogen werden können, dass er zur ursprünglichen Akkumulation hätte beitragen können. Denkt da mal drüber nach, liebe schwarze Brüder und Genossen, und, wenn’s geht, auch noch auf dem Boden des dialektischen und historischen Materialismus.
Jürgen Marschall