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Aus: Ausgabe vom 19.04.2008, Seite 16 / Aktion

Mit Zollstock und Taschenrechner

In der Partei Die Linke sind die Rechten auf dem Vormarsch: Partei-Realos wollen für die Reichen da sein. Deshalb werden DKP-Genossen rausgeworfen und die Linken in der Linkspartei zurückgedrängt. Widerstand ist kaum erkennbar
Von Dietmar Koschmieder
Der Rechte ist der Rechte, Ausriß aus dem Berliner Kurier vom Fr
Der Rechte ist der Rechte, Ausriß aus dem Berliner Kurier vom Freitag, 18. April 2008
Gemessen an der allgemeinen Empörung über das unsolidarische Verhalten der niedersächsischen Landtagsfraktion der Partei Die Linke gegenüber Christel Wegner sind 1400 Unterschriften unter die Berliner Erklärung als eher bescheidenes Ergebnis einzustufen. Die Unterzeichner protestieren gegen den Ausschluß des DKP-Mitglieds aus der niedersächsischen Linksfraktion wegen angeblicher Äußerungen in einer ARD-Sendung. Sie teilen die Einschätzung, daß der Angriff nicht einfach Frau Wegner oder der DKP, sondern allen antikapitalistischen Kräften gilt, die vor dem Hintergrund wachsender sozialer Widersprüche für grundlegende gesellschaftliche Veränderungen kämpfen. Gemeinsam fordern sie die Partei Die Linke auf, Christel Wegner wieder »einen Status innerhalb der Landtagsfraktion« zu geben.

Das Ergebnis der Unterschriftenaktion wirft aber auch ein Licht auf die Situation in der Linken (in- und außerhalb der Linkspartei). Verabschiedet wurde die Berliner Erklärung auf einer Veranstaltung der jungen Welt wenige Tage nach der »Panorama«-Sendung und dem Ausschluß Christel Wegners. Aber keiner der geladenen Gäste erschien, keiner war zu diesem Zeitpunkt bereit, über den Vorgang öffentlich zu diskutieren. Auch nicht jene vom linken Flügel der Partei. An der Unterschriftenaktion beteiligte sich keine Struktur, keine unterzeichnete sie, keine sammelte für sie organisiert. Nur wenige bekanntere Namen der Linkspartei stehen auf der Liste. Umso erfreulicher, daß sich 1400 Personen ohne Nachfrage und unorganisiert bei der jungen Welt gemeldet und ihren Namen unter die Erklärung gesetzt haben. Am vergangenen Samstag wurden nun diese Unterschriften am Rande des niedersächsischen Parteitages der Linken übergeben.

Manfred Sohn, Linke-Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag, hat die Kiste mit den Unterschriften übernommen. Eine jW-Meldung »Linke verweigert Entgegennahme von Unterschriften« schien ihm nicht zweckmäßig. Inhaltlich hat sich Manfred Sohn immerhin als einer der wenigen auch öffentlich der Diskussion gestellt. Jetzt beschäftigte er sich intensiv mit der Berliner Erklärung: Pro Tag seien bundesweit weniger als 40 Unterschriften generiert worden, das Gesamtergebnis entspräche weniger als der Hälfte der DKP-Mitglieder bundesweit, gemessen an der jW-Auflage wären es rund 7,5 Prozent, die unterschrieben hätten, kalkuliert Sohn. Gemessen an der Zahl der Stimmen für die Linken bei der letzten Wahl läge das Gesamtergebnis der Kampagne gar bei »rund 0,6 Prozent«, teilt er uns mit.

Die Berechnungen Sohns haben durchaus inhaltlichen Charakter. Noch während er die Kiste vermißt, in der er nach eigenem Bekunden nicht nur Unterschriftenlisten, sondern auch noch Luftkissen fand, die in Zentimetern ausgedrückt dicker waren als das Bündel der Unterschriften, wird seine Partei weiter auf Linie gebracht. Das schnöde DKP-Bashing war gestern, jetzt geht es um die Wurst. Dieser Tage schlugen die Rechten in der Linken auf den ehemaligen WASG-Frontmann und heutigen finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, Axel ­Troost, ein, weil der (wie es die aktuelle Programmlage vorsieht) doch tatsächlich dem anstehenden Parteitag ein milliardenschweres Investitionsprogramm vorschlagen wollte. Der Schweriner Regierungspolitiker Helmut Holter betont, daß Die Linke um Gottes willen ja nicht als Umverteilungspartei wahrgenommen werden darf. Verständlich: Wer den Armen was geben will, muß den Reichen was nehmen – das ist eine Losung der DKP und kann in einer künftigen Regierungspartei keinen Bestand haben. Der Antrag ist mittlerweile zurückgezogen worden. Am Freitag haben der Berliner Regierungspolitiker Stefan Liebich und Genossen über den Berliner Kurier endlich mitteilen lassen, wer der Feind in den eigenen Reihen ist. Leute wie Lafontaine, der die Partei Die Linke lieber in der Tradition von Liebknecht und Luxemburg sieht als in der von Noske und Ebert und der es wagt, Teile des Kommunistischen Manifestes für die Programmatik der Linkspartei ins Gespräch zu bringen, stehen »moderner Politik« im Wege. Die Linken in der Linken bleiben aber auf Tauchstation, entsprechend dem verordneten Motto: Bis zur nächsten Wahl das Maul halten. Solange kann man sich ja mit Zollstock und Taschenrechner über das bescheidene Ergebnis einer Aktion lustig machen, die einer solchen Entwicklung entgegentreten wollte.

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