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Aus: Ausgabe vom 21.08.2009, Seite 3 / Schwerpunkt

Hintergrund: Historische Enteignung

Es war kurz vor Mitternacht am Mittwoch der vergangenen Woche als das Abstimmungsergebnis bekanntgegeben worden war: Das Parlament der südargentinischen Provinz Neuquén stimmte mit 26 zu 9 Stimmen für ein Gesetz, das die Enteignung der Keramikfabrik Zanon vorsieht. Gebäude, Maschinen und auch die Marke »Zanon« gehören nicht mehr dem Unternehmer Luigi Zanon, sondern der Kooperative »FaSinPat« – Fabrica Sin Patrones (Fabrik ohne Besitzer).

Eine zweifellos historische Entscheidung. Die Sitzung war auf einer Großleinwand vor dem Parlamentsgebäude übertragen worden, wo viele Zanon-Beschäftigte und Unterstützer ihrer Besetzung die Debatte verfolgt hatten. Nach der Verabschiedung des Gesetzes herrschte Euphorie. Das Enteignungsgesetz war das Ergebnis eines mehr als achtjähriges Kampfes. »Wir werden die Leute nicht vergessen, die in den schwierigsten Momenten hinter uns standen, z. B. die 100000 Menschen, die für das Enteignungsgesetz unterschrieben haben«, erklärte Alejandro López, Chef der Keramikarbeitergewerkschaft SOECN.

Mitglieder der international bekannten Menschenrechtsorganisation »Madres de Plaza de Mayo«, bekannt auch als Mütter der unter der argentinischen Militärdiktatur (1976 bis 1983) »Verschwundenen«, waren auch vertreten. »Dieser Sieg ist für die 30000 Verschwundenen«, rief López ihnen zu. Die Zanon-Arbeiter gedachten Daniel Ferras, einem junger Arbeiter, der aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen vor der Besetzung gestorben war, und auch an Carlos Fuentealba, einen Lehrer aus Neuquén, der bei einer friedlichen Demonstration für bessere Bildung im Jahr 2007 von Polizisten erschossen wurde. Eine Vertreterin des indigenen Volkes der Mapuche, Veronica Hullipan, kommentierte: »Diese Entscheidung ist Ausdruck eines organisierten Kampfes, der die Unterstützung der gesamten Bevölkerung gewonnen hat.«


Der Kampf der Zanon-Beschäftigten hatte im Jahr 2001 begonnen, als der Besitzer die Fabrik dichtmachen und 380 Arbeiter auf die Straße setzen wollte. Luigi Zanon schuldete damals seinen Gläubigern umgerechnet 75 Millionen US-Dollar, darunter 20 Millionen Dollar der International Finance Corporation, ein Teil der Weltbank. Mit dem jetztigen Enteignungsgesetz werden die Schulden von der Provinz Neuquén teilweise übernommen.

Doch die Arbeiter besetzten die Fabrik und nahmen die Produktion im Jahr 2002 wieder auf. In den folgenden Jahren haben sie viele politische und juristische Schlachten gewonnen, um die Räumung abzuwehren.

(wf)

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