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Aus: Ausgabe vom 17.10.2009, Seite 16 / Aktion

Feinde haben wir genug

Bürgerliche und Kryptokommunisten vereint im Kampf gegen junge Welt
Von Dietmar Koschmieder
junge-Welt-Stand auf der Frankfurter Buchmesse: Halle 3.1/A
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junge-Welt-Stand auf der Frankfurter Buchmesse: Halle 3.1/A 198
Warum Sie die junge Welt unterstützen sollten, erkennen Sie auch daran, wer so alles zu den Feinden dieser frechen Zeitung zählt. So klagte Reiner Burger, Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), gegen die jW. Weil sie es wagte, seine eigenartige Hofberichterstattung zum Thema Sachsensumpf scharf zu kritisieren. In zweiter Instanz mußte er sich schließlich vom Oberlandesgericht Hamburg sagen lassen, daß die junge Welt lediglich das grundgesetzlich verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung wahrgenommen hat. Mittlerweile wurde Burger nach Nordrhein-Westfalen versetzt. In der FAZ vom 14.Oktober kann nun jeder dessen eigenartiges Verfassungsverständnis nachlesen. Burgers Beitrag über den Programmentwurf der Partei Die Linke in NRW endet mit folgender Analyse: »Mit ihrem Programmentwurf widerspricht die Linke in Nordrhein-Westfalen dem Geist des Grundgesetzes, der antitotalitär und antiextremistisch, also zugleich auch antinationalistisch und antikommunistisch ist.« Daß solch ein dämlicher Satz in Deutschlands führender Bürgerzeitung überhaupt möglich ist, zeigt ein weiteres Mal den Verfall bürgerlicher Kultur. Früher waren dort Erkenntnisse eines Thomas Mann möglich, nach der der Antikommunismus die Grundtorheit der Epoche sei. Heute bleibt davon die Burgersche Erkenntnis, daß der Geist des Grundgesetzes antikommunistisch sei. Kommunisten wirkten bekanntlich an der Erarbeitung des Grundgesetzes mit. Sie stimmten ihm schließlich nicht zu, weil mit seiner Verabschiedung die Teilung Deutschlands manifest wurde. Aber sie prophezeiten schon damals, daß Kommunisten eines Tages dieses Grundgesetz gegen jene verteidigen werden, die es verabschiedet haben.

Burger ist in der bürgerlichen Medienlandschaft kein Einzellfall. Der Autor Sven Felix Kellerhoff wirft in der Zeitung Die Welt vom 13. Oktober junge Welt vor, die Demokratie zu diffamieren, weil sie die Wahrheit schreibt. In seiner Rede zur »Deutschen Revolution von 1989« hat Bundespräsident Horst Köhler gleich mehrfach die Unwahrheit gesagt. junge Welt titelte am 12. Oktober: »Köhler lügt«. Zwar muß auch Kellerhoff zugeben, daß es »einige tatsächlich unzutreffende Sätze« des Präsidenten gibt, um dann trotzdem festzustellen: »Doch es ist hierzulande nicht üblich, den Bundespräsidenten offen zu beschimpfen. Solche Zurückhaltung gegenüber dem höchsten Repräsentanten der Demokratie ist der jungen Welt allerdings fremd.« Zumindest ist jW bisher davon ausgegangen, daß es sich bei diesem Herrn um den höchsten Repräsentanten des deutschen Staates handelt. Dann beschimpft Die Welt offen die junge Welt. Das darf sie, denn dabei handelt es sich ja auch nur um ein ungeschütztes demokratisches Medium und nicht um einen geschützten höchsten Demokraten: Die jW sei laut Verfassungsschutzbericht linksextremistisch, sie gelte als Stasi-Kreisen nahestehend (bei wem sie das gilt, steht da natürlich nicht, aber dazu können wir Ihnen anschließend Hinweise geben), Chefredakteur Schölzel, der »schwere Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten erhob«, sei jahrelang IM Holzer gewesen. Lüge darf man bei seiner Majestät nicht sagen. Auch und gerade wenn sie lügt, sonst zieht man den Unwillen der Welt auf sich. Aber wie nennt man das dann, wenn ihro Durchlaucht »unzutreffende Sätze« sagt? Oder ist ER gar unfehlbar? All diese Fragen beantwortet Kellerhoff im Schlußsatz seines Beitrages: »Das Mißverständnis ist für sie [junge Welt, die Red.] offenkundig eine Vorlage, um die Demokratie zu diffamieren.« Kurzum, wer die Wahrheit sagt, diffamiert die Demokratie, wenn er das in einer linken Tageszeitung tut. Aber wer lügt, unterliegt lediglich einem »Mißverständnis« – wenn es der Bundespräsident ist, der lügt.

Aus Die Welt
Aus Die Welt
Lüge nennen wir Lüge, denn es ist, frei nach Rosa Luxemburg, die Aufgabe des Redakteurs, zu sagen, was ist. Anders verhält es sich, wenn unsachliche Beschimpfung die Analyse ersetzen soll. Ein Herr J. Strütt von Gegendieströmung. Organ für den Aufbau der Revolutionären Kommunistischen Partei Deutschlands, versuchte immer mal wieder, dafür Redaktionsfläche in junge Welt aufzukaufen. Nicht immer ohne Erfolg, was wir selbstkritisch anmerken möchten. Denn eigentlich verkaufen wir Anzeigen und keine Redaktionsfläche, auch wenn sie sich als Anzeige tarnen. Sonst könnten Organisationen und Personen mit ausreichend materiellem Hintergrund sehr leicht eine Zeitung dominieren.


Man kann ohne weiteres viele kritische Punkte an unserer Arbeit oder an der der Gewerkschaftsführung oder an der von Oskar Lafontaine finden. Plumpe Beschimpfungen ersetzen allerdings keine Argumentation, und deshalb wollen wir unsere Leserinnen und Leser vor ersteren verschonen. Zum Beispiel vor solchen Texten: »Das ganze Ausmaß der Korruptheit, der Charakterlosigkeit und des verbrecherischen Potentials der DGB-Führung kann wenigstens in Ansätzen verdeutlicht werden...« Oder wenn Oskar Lafontaine als »deutschnationaler Chefdemagoge« und »pseudolinker Rechtspopulist« angepinkelt werden soll. Sowas trägt nichts zur Aufklärung bei. Jedenfalls sind wir nicht verpflichtet, alles, was man uns so anbietet, auch abzudrucken. Diesen schlichten Umstand können J. Strütt und seine Organisation nun gar nicht akzeptieren. Deshalb hat man sich für die schändliche Behandlung durch junge Welt gerächt: In Frankfurt am Main wird in diesen Tagen gezielt bei Veranstaltungen und auf der Buchmesse eine von ihnen erstellte gefälschte junge Welt verteilt. Sie enthält jede Menge dummes Zeugs und schreckt auch vor plumper Lüge nicht zurück. Wenig überraschend ist der Umstand, daß viele der Angriffe der beleidigten Leberwürste um Strütt gegen junge Welt wie von den Bürgerlichen abgeschrieben wirken. Während Die Welt im obengenannten Beitrag über junge Welt behauptet, sie gelte als Stasi-Kreisen nahestehend, reden die Dumpfbacken von Gegendieströmung mal so richtig Tacheles: »langjährige Dominanz von SED- und Ex-DDR-Staatssicherheitsfunktionären, auch personell eindeutig«. Die Belege sind schwerwiegend: Die Welt wirft junge Welt im oben erwähnten Beitrag vor, Egon Krenz zu Wort kommen zu lassen. Die Turbokommunisten enthüllen mit dem Strom schwimmend: »Der ehemalige Regierungschef der DDR und SED-Vorsitzende Egon Krenz hatte in junge Welt ebenfalls als Autor seinen Platz.« Undsoweiterundsofort.

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Und das alles nur, weil wir eine Anzeige nicht veröffentlicht und einen Beileger nicht beigelegt haben? Vielleicht kann ja der Strütt mal bei den Kollegen von der Welt anklopfen, ob er da mitmachen darf, wenn es mit seinem Projekt nichts wird. Aber vorläufig braucht man ihn und seine Genossen dann doch noch eher auf der anderen Baustelle.

Feinde haben wir also genug, helfen Sie uns, neue Freunde zu finden. Vermitteln Sie möglichst vielen Menschen aus Ihrer Umgebung durch ein Dreiwochenabo die Bekanntschaft mit junge Welt. Es bedarf manchmal auch ein wenig Aufwand, die Pressefreiheit zu verteidigen. Je mehr Leserinnen und Leser wir haben, desto besser können wir uns gegen Angriffe wehren.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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