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Aus: Ausgabe vom 30.01.2010, Seite 16 / Aktion

Standpunkt

junge Welt bleibt unbequem
Von Dietmar Koschmieder
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Wenn eine Regierung das Blindengeld streicht, sollte man darüber berichten. Muß man aber im Bericht auch Meinung erkennen lassen? Kann man schon, denn eine der Vorzüge der jungen Welt ist ihre Meinungsstärke. Wobei die junge Welt keineswegs den Anspruch erhebt, mit ihrer Meinung eine alleingültige Wahrheit zu verkünden. Daß manche sie dennoch so lesen, sagt mehr über diese Nutzer als über die Zeitung.

Die junge Welt ist kein Zentralorgan, weder für eine Partei noch für den Flügel einer Partei. Wenn wir gut sind, beschreiben, analysieren und kommentieren wir Bewegungen, Prozesse, Verhältnisse. Jeder Beitrag ist mit Namen unterschrieben. Wir tun nicht so, als ob in Berichten nur objektive Fakten und in Kommentaren nur subjektive Meinungen vorkommen. Der Verfasser hat einen Standpunkt, hat Kriterien, nach denen er eine Fülle von Informationen sichtet und wertet. Das geht auch anderen so. Wir machen unseren Standpunkt aber kenntlich.

Bei jenen Medien, die sich am lautesten unabhängig, überparteilich und objektiv nennen, kommt zur subjektiven Beschränktheit des Redakteurs eine ökonomische und ideologische Abhängigkeit: Es geht gar nicht um den Standpunkt des Schreibenden, sondern um den der Eigentümer oder der Anzeigenkunden. Dafür wird er in der Regel gut bezahlt. Das nennt man dann Professionalität. Die meisten Arbeitsplätze in diesem Lande sind so strukturiert: Man arbeitet nicht an seinem Produkt, sondern stellt seine Arbeitskraft für mehr oder weniger Geld anderen zur Verfügung.

In der Praxis kann man solchermaßen objektive Berichterstattung auch daran erkennen, wie die junge Welt und ihre Funktion beschrieben wird. Exemplarisch sei hier ein Bericht der FAZ vom 17. Januar zu den Personalquerelen der Linkspartei genannt. Demnach wurde die junge Welt von »Lafontaines Kettenhunden« genutzt, um den Geschäftsführer Dietmar Bartsch in der »ultralinken Zeitung junge Welt« anzuschwärzen. Dabei haben wir in diesem Konflikt vor allem beschrieben, was geschah. Allerdings von einem marxistischen Standpunkt aus. Wer sich auch weiterhin umfassend über die Entwicklung der Linkspartei informieren will, kommt deshalb um die junge Welt nicht herum.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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