Aus: Ausgabe vom 25.03.2010, Seite 3 / Schwerpunkt
Man darf Israel kritisieren – Gegen den Rufmord an Hermann Dierkes
Der Bundessprecherrat der Parteiströmung »Sozialistische Linke« verurteilt alle Versuche, Hermann Dierkes, den Fraktionsvorsitzenden der Linken im Rat der Stadt Duisburg, als Antisemiten zu diffamieren. jW dokumentiert in Auszügen eine von Harri Grünberg erarbeitete ausführliche Stellungnahme:
Die Linke weist die Angriffe der Medien und auch innerparteilicher Kritiker auf Herrmann Dierkes zurück, dem erneut wegen seiner Israel-kritischen Äußerungen Antisemitismus vorgeworfen wird. Die Unterstellung, Herrmann Dierkes sei Antisemit, ist infam, ebenso wie der Vorwurf, er leugne den Holocaust. Zeitnah zu den Wahlen in NRW wird diese Kampagne lanciert, um der Partei Die Linke zu schaden. Sie zielt darauf ab, den Einzug der Linken in das Landesparlament von Nordrhein-Westfalen zu verhindern.
(...) Die Linke benötigt eine ernsthafte Debatte über ihre Haltung zum Nahostkonflikt und über ihre Politik zu Israel. Dies schließt die Debatte mit den Positionen von Herrmann Dierkes und vieler anderer über die Frage von Einstaatlichkeit oder Zweistaatlichkeit ein. Sie ist keine bloße deutsche Randdebatte, sondern sie wird auch aktuell in Teilen der israelischen und in größeren Teilen der palästinensischen Linken geführt.
Kern dieser Debatte ist: Soll es neben dem Staat Israel einen palästinensischen Staat geben, oder hat sich diese Perspektive durch die Fakten, die 44 Jahre militärischer Besetzung der Westbank durch Israel hervorgebracht haben, überholt in dem Sinne, daß nur noch ein gemeinsamer binationaler Staat von Juden und arabischen Palästinensern zukunftsfähig wäre? Diese Perspektive mag falsch oder aber auch richtig sein, darüber muß man ernsthaft und solidarisch miteinander diskutieren. Die geltende Beschlußlage der Partei Die Linke und ihrer Bundestagsfraktion ist die Zweistaatlichkeit. (…)
Die Linke steht zur Existenz Israels. Außerdem ist sie der Auffassung, daß Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber Israel hat. Aber neben Israel muß es einen palästinensischen Staat geben, der über ein zusammenhängendes Territorium verfügt und lebensfähig ist, und der friedlich neben Israel existiert. Mit der gegenwärtigen Regierung Israels ist dies noch viel schwieriger als zuvor zu erreichen. Die israelische Tageszeitung Haaretz stellt fest, daß es in Israel noch nie eine vergleichbar rechte Regierung wie die gegenwärtige gegeben hat. Netanjahu mit seinen beiden extremistischen Koalitionspartnern ist gegenwärtig dabei, massiv die Rechte der arabisch-israelischen Staatsbürger, die 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, einzuschränken. Rechte Politiker wollen der arabischen Minderheit des Landes das aktive und passive Wahlrecht entziehen. Nach Auffassung Liebermanns muß man die arabischen Israelis aus dem Staat Israel ausgliedern. Die Politik der Rechten ist durch Rassismus gegen die Palästinenser motiviert.
Aber auch die demokratischen Rechte der jüdischen Bevölkerung stehen auf dem Spiel. So plant die rechte Regierung ein Gesetz, das den zahlreichen Menschenrechtsorganisationen in Israel verbieten soll, für ihre Projekte Unterstützungsgelder aus dem Ausland, vornehmlich Mittel der Europäischen Union, entgegenzunehmen. Ihre Unterstützung für den Bericht der Goldstone-Kommission steht unter Beschuß und wird als antipatriotische Nestbeschmutzung diffamiert. Schritt für Schritt werden demokratische und fortschrittliche Kräfte in Israel aus dem politischen Leben hinausgedrängt. (...)
Zu unserer Politik gehört auch eine scharfe Verurteilung der Raketenangriffe von Hamas auf israelisches Territorium. (...)
Der Vorwurf des Antisemitismus an Die Linke hat die Funktion, kritische Positionen der Linken zur aktuellen Politik Israels zum Verstummen zu bringen. Das neokonservative israelische Reut-Institut aus Herzliya rät dazu, auf internationaler Ebene eine Diffamierungskampagne gegen die zahlreichen linken Kräfte zu betreiben. Gerne wird der Vorwurf des linken Antisemitismus von den bürgerlichen Parteien und den Medien in Deutschland aufgegriffen. Es handelt sich hierbei um die gleichen Medien, die ansonsten keine Berührungsprobleme mit rechten Politikern und Regierungen weltweit haben und nach Bedarf selbst fremdenfeindliche Kampagnen schüren.
Leider werden diese Diffamierungskampagnen mit dem Vorwurf des Antisemitismus auch von Mitgliedern und Funktionsträgern der Partei Die Linke bedient. Die Gleichsetzung von Kritik gegenüber der israelischen Regierungspolitik mit Antizionismus und Antisemitismus wird insbesondere von einer politischen Strömung betrieben, die sich selbst zur Tradition linker Politik zählt. Diese Strömung hat auch innerhalb der Partei Die Linke einen Ableger in Form von BAK Shalom. BAK Shalom präsentiert sich in der Öffentlichkeit mit zwei Kernthemen: der Solidarität mit Israel und mit einer denunziatorischen Kampagne gegen Vertreter der Linken, die Kritik an der Politik Israels üben. Solche werden des Antisemitismus bezichtigt. Jüdische und israelische Linke distanzieren sich scharf von dieser Gruppierung. Deshalb sind mittlerweile auch jüdische und israelische Linke ins Fadenkreuz der Attacken von BAK Shalom und der sich als »antideutsch« gerierenden Gruppierungen geraten. BAK Shalom demonstriert mehr Nähe zum rechten politischen Establishment Israels als zur israelischen Linken und der israelischen Friedensbewegung. Eines ihrer führenden Mitglieder, Benjamin Krüger, tritt häufig in der neokonservativen englischsprachigen israelischen Tageszeitung Jerusalem Post als Kronzeuge gegen die Linke auf. Die Jerusalem Post ist ein beliebtes Organ der Siedlerbewegung in Israel. (...)
www.sozialistische-linke.de
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