Aus: Ausgabe vom 10.11.2010, Seite 12 / Feuilleton
Swetlana Geier tot
Die für Neuübersetzungen Fjodor M. Dostojewskis bekannte
Swetlana Geier ist am Sonntag im Alter von 87 Jahren in Freiburg
gestorben, wie der S. Fischer Verlag mitteilte. »Aus
Zuneigung suchte sie das richtige Wort, der richtige Satz war ihr
existentiell«, erklärte Verlegerin Monika Schoeller. Im
Alter von 65 Jahren hatte Geier mit dem Dostojewski-Übersetzen
begonnen, dabei auch populäre Titel verändert. Aus
»Schuld und Sühne« wurde »Verbrechen und
Strafe«. »Die Dämonen« heißen in ihrer
Übertragung »Böse Geister«. Aus »Der
Jüngling« machte sie »Ein grüner
Junge«, und erhielt für die Arbeit an diesem Roman 2007
den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse. Im Januar kam ein
Dokfilm über Geier in die Kinos. Obwohl Geier auch Tolstoi,
Bulgakow, Solschenizyn und Andrej Sinjawski übersetzte,
bezieht sich der Titel dieses Films, »Die Frau mit den
fünf Elefanten«, auf die großen
Dostojewski-Romane. In der Doku reist Geier zum ersten Mal seit dem
Zweiten Weltkrieg in die Ukraine, wo sie als Tochter eines
Spezialisten für Pflanzenzucht geboren wurde. Die Mutter
entstammte einer Familie zaristischer Offiziere. Geier, die noch
Iwanowa hieß, erhielt früh Privatunterricht in Deutsch.
Nach dem Tod des Vaters und dem Einmarsch der deutschen Truppen
dolmetschte sie für eine deutsche Firma, wurde also zur
Kollaborateurin. 1943 siedelte sie mit ihrer Mutter nach
Deutschland über. 1944 nahm sie ein Studium in Freiburg auf.
In den 50ern wurde sie Übersetzerin, in den 60ern Lektorin. 25
Jahre lang hat sie den Russischunterricht an den deutschen
Waldorfschulen betreut. Zuletzt arbeitete sie an einer
Übersetzung von Dostojewskis »Aufzeichnungen aus einem
Totenhaus«. (dapd/jW)
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