Aus: Ausgabe vom 28.12.2010, Seite 3 / Schwerpunkt
Streichen, kürzen, verschweigen
Bei der »redaktionellen Bearbeitung« der
Wikileaks-Dokumente durch die fünf beteiligten
Mainstream-Medien hatte die US-Regierung ein gewichtiges Wort
mitzureden. Der Journalist David E. Sanger von der New York Times,
Autor mehrerer Artikel zu den Diplomatenpapieren, schilderte in
einem Interview das Verfahren: »Wir unternahmen sogar den
sehr ungewöhnlichen Schritt, die rund 100 Depeschen, über
die wir schrieben, der US-Regierung zu zeigen und sie zu fragen, ob
sie zusätzliche redaktionelle Eingriffe vorzuschlagen habe.
Nun, sie hatten vieles vorzuschlagen, was wir nicht zu tun bereit
waren, einschließlich der Unterhaltungen, die zwischen
einigen US-Diplomaten und einigen Weltführern stattfanden.
(…) Bill Keller, unser Chefredakteur, und eine Anzahl
anderer Redakteure trafen am Ende die Entscheidungen, wo sie die
Linie ziehen wollten. Ich hörte einige der Bedenken der
Regierung zusammen mit mehreren meiner Kollegen und mit Dean
Baquet, der unser Bürochef hier in Washington ist. Wir
stellten Fragen, um das Wesen der Bedenken des State Department zu
verstehen, aber die Entscheidungen trafen nicht wir.«
Sanger bezog sich dabei nur auf die ersten 100 Dokumente, die Ende November ins Netz gestellt wurden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß bei den folgenden Veröffentlichungen wesentlich anders vorgegangen wurde. Der Journalist erwähnte auch, daß in mindestens einem Fall die Redaktion der New York Times dem »Wunsch« der Regierung folgte, ein bestimmtes Dokument, das einem Artikel zugrunde lag, nicht zu veröffentlichen.
Der Spiegel griff aus einem Bericht des US-Botschafters in Berlin, Philip D. Murphy, über ein ausführliches Hintergrundgespräch mit Gregor Gysi nur einen einzigen Punkt auf, nämlich dessen Argumentation für den Verbleib Deutschlands in der NATO. Das Magazin verzichtete aber, möglicherweise mit Rücksicht auf den Linken-Politiker, darauf, die Depesche zu veröffentlichen. Auch auf der Wikileaks-Webseite ist Murphys Kabel an das State Department nicht zu finden.
(km)
Sanger bezog sich dabei nur auf die ersten 100 Dokumente, die Ende November ins Netz gestellt wurden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß bei den folgenden Veröffentlichungen wesentlich anders vorgegangen wurde. Der Journalist erwähnte auch, daß in mindestens einem Fall die Redaktion der New York Times dem »Wunsch« der Regierung folgte, ein bestimmtes Dokument, das einem Artikel zugrunde lag, nicht zu veröffentlichen.
Der Spiegel griff aus einem Bericht des US-Botschafters in Berlin, Philip D. Murphy, über ein ausführliches Hintergrundgespräch mit Gregor Gysi nur einen einzigen Punkt auf, nämlich dessen Argumentation für den Verbleib Deutschlands in der NATO. Das Magazin verzichtete aber, möglicherweise mit Rücksicht auf den Linken-Politiker, darauf, die Depesche zu veröffentlichen. Auch auf der Wikileaks-Webseite ist Murphys Kabel an das State Department nicht zu finden.
(km)
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