Brief an Herzog
Staatsduma der Russischen Föderation Herrn Roman Herzog Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Sehr geehrter Herr Präsident, in den letzten Jahren sind wir Zeugen der politischen Verfolgung ehemaliger politischer und militärischer Funktionsträger der DDR in der Bundesrepublik Deutschland. Besonders besorgt stimmt uns, daß das Landgericht Berlin kürzlich den ehemaligen Vorsitzenden des Staatsrates der DDR und Generalsekretär des ZK der SED, Egon Krenz, zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilte und sogleich in Haft nahm, daß zwei weitere ehemalige Mitglieder des Politbüros des ZK der SED Haftstrafen erhielten. Wir haben nicht die Absicht, uns in innere Angelegenheiten Ihres Landes einzumischen oder gar auf Entscheidungen der Justiz der BRD Einfluß zu nehmen. Aber wir kommen nicht umhin, unsere Sorge darüber zum Ausdruck zu bringen, daß ehemalige führende Repräsentanten der DDR weiterhin verfolgt werden, eines Staates, der vollwertiges Mitglied der UNO und anderer internationaler Organisationen war, zu dem die meisten Staaten der Welt diplomatische Beziehungen unterhielten. Die Staatsduma der Russischen Föderation hat am 12. März 1997 zu den Gerichtsverfahren gegen ehemalige führende Repräsentanten der DDR, die an der Entwicklung zum modernen Deutschland ihren Anteil haben, einen Beschluß gefaßt. Leider haben die deutschen Parlamentskollegen unseren Appell keiner Antwort gewürdigt.
Sich politischer Vergeltung zu enthalten, entspräche den Grundsätzen von Demokratie und Achtung der Menschenrechte, die wir der Entwicklung und Verbesserung der Beziehungen zwischen den Völkern an der Schwelle zum neuen Jahrtausend zugrundezulegen bemüht sind. Wir appellieren an Sie, Herr Bundespräsident, Humanität walten zu lassen und das Geschick von Menschen zu erleichtern, die an der Spitze eines souveränen Staates gestanden haben, was u.a. im Zwei-plus-Vier-Vertrag klar anerkannt wurde.
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