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Aus: Ausgabe vom 11.05.2011, Seite 3 / Schwerpunkt

Syrien-Programme auf Eis gelegt

Westen antwortet auf Unruhen mit Sanktionen gegen Damaskus
Von Karin Leukefeld
Im Mai ist in Syrien Hochsaison. Hotels und Restaurants haben sich herausgeputzt. Die Osterfeierlichkeiten in der Altstadt von Damaskus und im Gebirgsort Maalula ziehen alljährlich Tausende Menschen an. Ausstellungen, Konferenzen, Konzerte und Workshops stehen in dem Kalender, den das Tourismusministerium monatlich herausgibt. Im Veranstaltungsplan des deutschen Goethe-Instituts stehen Foto- und Videokurse auf dem Programm, in der Vortragsreihe »Focus Syrien« sollte es am heutigen Mittwoch um »Integrierte Stadtplanung« gehen. Und mit dem Film »Renn, wenn du kannst« wollte sich Deutschland am Europäischen Filmfestival in der syrischen Hauptstadt beteiligen, das bis Ende Mai eine Vielzahl von Filmen auf dem Programm hatte.

In diesem Frühling ist alles anders. Die anhaltenden Unruhen in Syrien mit vielen Toten beantwortet der Westen mit neuen Sanktionen. Nach Großbritannien und den USA forderten auch europäische Staaten ihre Bürger auf, nicht nach Syrien zu reisen, und diejenigen, die schon dort waren, das Land zu verlassen, »solange es noch Linienflüge nach und aus Syrien« gebe. Zehntausende Buchungen werden storniert, Hotels stehen leer, Personal wird in unbezahlten Urlaub geschickt oder entlassen, Konzerte, Ausstellungen und Vorträge sind abgesagt. Das Goethe-Institut ist geschlossen, alle von Deutschland in Syrien laufenden Programme sind auf Eis gelegt, das deutsche Personal wurde abgezogen.

Noch im Oktober schienen die syrisch-deutschen Beziehungen bestens. Syrien stimmte für den nicht-ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicherheitsrat, den die BRD auch erhielt. Doch nun fordert Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) an vorderster Front von der Europäischen Union Sanktionen gegen Syrien, die inzwischen eingeleitet wurden. Zusätzlich soll verhindert werden, daß Syrien Mitglied des UN-Menschenrechtsrates werden kann, worum es sich seit langem beworben hat und worüber die UN-Vollversammlung Ende Mai abstimmen soll. »Der Versuch Syriens, Mitglied im UN-Menschenrechtsrat zu werden, während es brutal gegen weitgehend friedliche Proteste vorgeht, ist blanker Hohn«, heißt es in einer Erklärung von Human Rights Watch vom 6. Mai.

Dabei weiß man in Syrien, daß mit den zivilen und Bürgerrechten vieles im argen liegt, und man arbeitet seit Jahren daran, daß sich das ändert. Mit einer landesweiten Kampagne sorgt die Präsidentengattin dafür, daß Behinderte respektiert, besser versorgt und nicht mehr von den Familien versteckt oder im Alltag ausgegrenzt werden. Interessierten wurde die Teilnahme an Schulungsprogrammen des UN-Menschenrechtsrates in Genf ermöglicht. Eine von ihnen ist Fadia Affash, eine junge Malerin, die sich besonders für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzt. Häusliche Gewalt, Vergewaltigungen, Diskriminierung im Alltag und im Beruf, »es gibt viele Herausforderungen«, sagt sie im Gespräch mit junge Welt. »Wir müssen vor allem das Bewußtsein in der Bevölkerung über die Bürgerrechte stärken. Die Gesellschaft muß verstehen, daß Frauen Rechte haben und wie sie diese Rechte umsetzen können.« Große Probleme sieht Af­fash auch im Bildungssystem, in dem Menschenrechte – wie vieles andere – bisher gar kein Thema seien. »Allein kann die Regierung das nicht schaffen«, meinte die 33jährige, die kürzlich auch einen ersten Film zu dem Thema Frauenrechte fertigstellte. »Die ganze Gesellschaft muß zusammenarbeiten, Nichtregierungsorganisationen und die Regierung, sonst werden wir gar nichts ändern können.« Sie kenne die Kritik, die aus Deutschland und Europa an Syrien geübt werde, doch es gebe auch Vorurteile. »In den »entwickelten« Ländern meinen die Leute immer, alles sei bei ihnen in Ordnung, und die Menschenrechte werden umgesetzt.« Sie selbst habe das lange auch gedacht, doch bei Recherchen im Internet habe sie herausgefunden, daß es auch dort Diskriminierung gegen Frauen gibt. »Da habe ich erkannt, daß die entwickelten Länder genauso Probleme mit den Menschenrechten haben wie wir. Vielleicht auf einer anderen Ebene, aber sie haben Probleme. Und wie sie können auch wir ein Problem lösen, wenn wir es erkannt haben.«

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