Aus: Ausgabe vom 13.07.2011, Seite 3 / Schwerpunkt
Chronik: Der Fall Eigendorf
Am 16. Juli 1956 wird Lutz Eigendorf in Brandenburg an der Havel
geboren. Sein fußballerisches Talent führt ihn 1974 in
die erste Mannschaft des BFC Dynamo. Er spielt 1978/79 sechsmal in
der DDR-Nationalmannschaft und bleibt bei einem Freundschaftsspiel
des BFC Dynamo gegen den 1. FC Kaiserslautern in der
Bundesrepublik. Auch andere DDR-Sportler nutzen in den 70er und
80er Jahren Reisen in die Bundesrepublik oder in andere
Länder, um der DDR den Rücken zu kehren –
häufig mit mal energischer, mal sanfter
»Nachhilfe« westlicher Stellen. Irgendwann ernennt
jemand Eigendaorf zum »Beckenbauer der DDR«, wovon er
selbst bis 1979 keine Ahnung hatte. Eigendorf spielt bis 1982
für Kaiserslautern und wechselt im Juni des Jahres zu
Eintracht Braunschweig. Dort ist er – nach längerer
Verletzung – nicht besonders erfolgreich, sitzt zumeist auf
der Reservebank. Am 5. März 1983 verliert Eintracht gegen den
VfL Bochum 0:2, die Fans skandieren auf der Tribüne
»Aufhören«. Zwei Tage zuvor soll Eintracht-Trainer
Ulrich Maslo Eigendorf geraten haben: »Baller dich nicht
schon wieder so zu.« Am Abend des 5. März wird die
Braunschweiger Verkehrspolizei um 23.08 Uhr zu einem Autounfall
gerufen und hält fest: Eigendorf sei vermutlich mit seinem
Wagen »aufgrund nichtangepaßter Geschwindigkeit«
in einer Rechtskurve nach links herausgetragen worden und gegen
einen Baum geprallt. Er stirbt am 7. März im Krankenhaus, die
Blutprobe ergibt 2,2 Promille.
Die Polizei, einschließlich BKA, geht in den folgenden Wochen verschiedenen Hinweisen nach: Bild vermeldet ein Einschußloch im Wagen – kein Befund. Dann folgt: Die Bremsen waren manipuliert. Und schließlich: Kontaktgift war am Türgriff. Die Räuberpistolen gehen in die Akten ein, der Fall wird abgeschlossen. Laut Aussage des damals zuständigen Staatsanwaltes Hans-Jürgen Grasemann gibt es keinerlei Beweis, der die Mord-These stützt. Dennoch halten die großen bundesdeutschen Medien an ihr fest. Am 22. März 2000 strahlt die ARD Heribert Schwans Film »Tod dem Verräter« aus, es folgt ein Taschenbuch gleichen Titels. Am 28. September 2010 strahlt das ZDF die Sendung »Im Netz der Stasi – Sonderauftrag Mord« aus. (jW)
Die Polizei, einschließlich BKA, geht in den folgenden Wochen verschiedenen Hinweisen nach: Bild vermeldet ein Einschußloch im Wagen – kein Befund. Dann folgt: Die Bremsen waren manipuliert. Und schließlich: Kontaktgift war am Türgriff. Die Räuberpistolen gehen in die Akten ein, der Fall wird abgeschlossen. Laut Aussage des damals zuständigen Staatsanwaltes Hans-Jürgen Grasemann gibt es keinerlei Beweis, der die Mord-These stützt. Dennoch halten die großen bundesdeutschen Medien an ihr fest. Am 22. März 2000 strahlt die ARD Heribert Schwans Film »Tod dem Verräter« aus, es folgt ein Taschenbuch gleichen Titels. Am 28. September 2010 strahlt das ZDF die Sendung »Im Netz der Stasi – Sonderauftrag Mord« aus. (jW)
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Josie Michel-Brüning: Gedächtnisbeeinflussung und Manipulation der Wahrnehmung Dank an jw, Arnold Schölzel und Klaus Eichner sowie auch Klaus Huhn für die unermüdliche Wachhaltung des historischen Gedächtnisses der ehemaligen DDR, diesmal am Beispiel des Fußballers Eigendorf. E...
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