Aus: Ausgabe vom 15.07.2011, Seite 13 / Feuilleton
Deutsche Griechen
Vor 25 Jahren begann der sogenannte Historikerstreit. Die
Zurückweisung der revisionistischen Thesen von Ernst Nolte
(»War nicht der ›Archipel Gulag‹
ursprünglicher als ›Auschwitz‹? War nicht der
›Klassenmord der Bolschewiki‹ das logische und
faktische Prius des ›Rassenmords‹ der
Nationalsozialisten?« hatte er in der FAZ gefragt) durch
Jürgen Habermas hat die FAZ bis heute nicht verwunden. In der
Ausgabe vom Mittwoch, versteckt in der Beilage »Natur und
Wissenschaft« hetzte der Rostocker Althistoriker Egon Flaig
gegen die »Habermas-Methode«. Dem 82jährigen
Sozialphilosophen warf er angeblich gigantische
»Zitat-Verkrümmungen« und »journalistische
Tricks vor«, die »sonst dem Lumpenjournalismus
vorbehalten« seien.
Mit den »Lumpen« hat es die FAZ, wenn es um die von ihr verachtete Frankfurter Schule geht. Als »Lumpen« wurden dort auch schon die Exilanten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno bezeichnet, die ja, verglichen mit Habermas, geradezu linksradikal waren. Flaig spricht Habermas gleich jede Bildung ab, die habe er »stets anderen überlassen«.
Und um was geht es dem Althistoriker? Flaig sorgt sich natürlich um das deutsche Volk, das »freilich nur als normales Volk, nicht als stigmatisiertes«, ja, was eigentlich tun könnte? Achso, na klar, »dauerhaft bestehen«. Mit solchen Sorgen belastet, sieht Flaig, der in der FAZ auch schon 2006 gegen das »Märchen von der islamischen Toleranz« anschrieb, sich genötigt, Zeugnis abzulegen: »Und wenn ich behaupte, die athenische Demokratie sei ebenso einzigartig wie die Schoa, dann kann ich dafür einen guten Grund nennen: Sie ist nämlich für mich bedeutsamer als die Schoa«. Je unwichtiger jemand ist, desto größer ist sein Bühnenauftritt, ganz so wie beim »Supertalent« im Privatfernsehen. Da kommt Habermas mit seiner »Diskursethik« nicht mehr mit. Sollen sich doch andere über die deutsche Geschichte aufregen, Flaig hat ganz eigene Probleme mit dieser Gesellschaft. Seiner Ansicht nach sind »wir«, wer immer das auch sein mag, »Zeugen geworden eines Kulturbruchs, nämlich einer weitgehenden Negierung der Errungenschaften des Griechentums«.
(jW)
Mit den »Lumpen« hat es die FAZ, wenn es um die von ihr verachtete Frankfurter Schule geht. Als »Lumpen« wurden dort auch schon die Exilanten Max Horkheimer und Theodor W. Adorno bezeichnet, die ja, verglichen mit Habermas, geradezu linksradikal waren. Flaig spricht Habermas gleich jede Bildung ab, die habe er »stets anderen überlassen«.
Und um was geht es dem Althistoriker? Flaig sorgt sich natürlich um das deutsche Volk, das »freilich nur als normales Volk, nicht als stigmatisiertes«, ja, was eigentlich tun könnte? Achso, na klar, »dauerhaft bestehen«. Mit solchen Sorgen belastet, sieht Flaig, der in der FAZ auch schon 2006 gegen das »Märchen von der islamischen Toleranz« anschrieb, sich genötigt, Zeugnis abzulegen: »Und wenn ich behaupte, die athenische Demokratie sei ebenso einzigartig wie die Schoa, dann kann ich dafür einen guten Grund nennen: Sie ist nämlich für mich bedeutsamer als die Schoa«. Je unwichtiger jemand ist, desto größer ist sein Bühnenauftritt, ganz so wie beim »Supertalent« im Privatfernsehen. Da kommt Habermas mit seiner »Diskursethik« nicht mehr mit. Sollen sich doch andere über die deutsche Geschichte aufregen, Flaig hat ganz eigene Probleme mit dieser Gesellschaft. Seiner Ansicht nach sind »wir«, wer immer das auch sein mag, »Zeugen geworden eines Kulturbruchs, nämlich einer weitgehenden Negierung der Errungenschaften des Griechentums«.
(jW)
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