Aus: Ausgabe vom 13.12.2011, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Lesetip
Lohnquote weiter gesunken
Der Anteil der Gewinn- und Kapitaleinkommen am Volkseinkommen ist im ersten Halbjahr 2011 wieder deutlich gestiegen, die Lohnquote ging zurück. Dies geht aus dem jetzt veröffentlichten Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Die langjährige einseitige Verteilungsentwicklung in Deutschland setzte sich demnach fort. Zwar legten die Lohneinkommen der Vollzeitbeschäftigten zuletzt – bei steigenden Preisen – wieder etwas stärker zu, heißt es in der Studie. Doch bei vielen Beschäftigten, die in Teilzeit oder anderen atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sei von den Zuwächsen wenig angekommen, schreibt WSI-Leiter Claus Schäfer.So erhalte auch die Binnennachfrage nicht die Impulse, die angesichts schlechter Wachstumsaussichten notwendig seien. Wie das Kaufkraftpotential der Arbeitseinkommen langfristig schrumpft, läßt sich unter anderem an der Nettolohnquote ablesen. Das Statistische Bundesamt hat die Daten ab 1991 neu berechnet. Deren Niveau hat sich dadurch etwas nach oben verändert, die Tendenz nicht. Nach Abzug von Steuern und Abgaben erreichte die Lohnquote zwischen 1960 und Ende der 1980er Jahre noch ein Niveau von über 50 Prozent. Seit 2005 schwankt sie zwischen gut 42 und knapp 44 Prozent. Im ersten Halbjahr 2011 waren es 42 Prozent.
»Die Lohneinkommen verlieren an Gewicht gegenüber den Gewinn- und Kapitaleinkommen, die überwiegend einer relativ kleinen Bevölkerungsgruppe zufließen«, so Schäfer. Die Nettogewinnquote stieg im ersten Halbjahr 2011 auf 33 Prozent und ist damit fast wieder auf dem historischen Höchststand vor der Finanzkrise 2008.
Die Bundesregierung setze »dem Trend zur Ungleichheit mit ihrer Steuer- und Abgabenpolitik wenig entgegen«, schreibt Schäfer. So sei die direkte Steuerbelastung auf Gewinn- und Vermögenseinkommen der privaten Haushalte mit der guten Gewinnlage zwar etwas gestiegen. Doch das Niveau bleibt niedrig: 8,6 Prozent laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung.
Der Verteilungsforscher bezeichnet einen fundamentalen Kurswechsel in der Steuerpolitik als wichtige Voraussetzung, um die parallel laufende »soziale Spaltung der Gesellschaft und die finanzielle Austrocknung des Staates« zu stoppen. Hohe Einkommen und Vermögen müßten über höhere Steuern stärker herangezogen werden, um insbesondere die Belastungen durch Bankenrettung, Finanz- und Staatsschuldenkrise zu schultern.
(jW)
Böckler Impuls Heft 19/2011
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