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Aus: Ausgabe vom 27.01.2012, Seite 13 / Feuilleton

Psychoraketen

Spann einfach die Flügel an und heb ab wie Möllemann«, singt Rocket/Freudental. Bekanntlich beendete Möllemann sein politisch streng groteskes Leben 2003 durch einen ominösen Fallschirmsprung, Rocket/Freudental aus Stuttgart schliddern durch diverse Psychopathologien und formen daraus auf ihrem ausgezeichneten dritten Album »Die meisten Irren« die Neurosenhits für eine lustigere, sozial gerechtere Zukunft. Blasiertere Personen glauben stupide an »die Moderne als unvollendetes Projekt«, Rocket/Freudental nennen ein Lied einfach »Meine Eltern haben ein Fischrestaurant in St. Peter Ording« und liefern damit in Kurzform die Sozialstrukturanalyse des westdeutschen Kleinbürgertums in Proseminar und Jeansladen (»ich lebe jetzt und heute, was mich an Ikea stört sind die vielen Leute«) Die Musik pendelt zwischen Goldene Zitronen und Eddie van Halen, bei näherem Hinhören entpuppt sich das regressive Gitarrengeniedel aber als Hommage an Lanrue von Ton Steine Scherben, vorzugsweise elektronisch hochgetuned. Wenn wir schon beim Thema sind: André Möhls Gesang erinnert weniger an den von Rio Reiser als an den von Nikel Pallat (»Paul Banzer Blues«).

(jW)

Rocket/Freudental: »Die meisten Irren« (Hafenschlammrekords/Trikont)

live, heute, Berlin, Kater Holzig, 21 Uhr; 28.1. Hamburg, Hafenklang 21 Uhr

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