Sieg der Schulden-Milliardäre
Nach der monatelangen erfolglosen Diskussion um die große Steuerreform und die Finanzierung der geplanten Absenkung des Solidaritätszuschlags, gab die Regierungskoalition am Donnerstag in Bonn nun ihre Entscheidung bekannt, den Solizuschlag von 7,5 auf 5,5 Prozent des Bruttogehaltes abzusenken.
CDU/CSU und FDP einigten sich darauf, zur Gegenfinanzierung der entstehenden Einnahmeverluste von 7,1 Milliarden Mark die Tilgungszahlungen des Bundes an den Erblastentilgungsfonds für zwei Jahre auszusetzen. Auf diese Weise stünden fünf Milliarden Mark zur Verfügung. Eine Zustimmung der SPD im Bundesrat für dieses Vorhaben der Bundesregierung ist nicht erforderlich.
Der Erblastentilgungsfonds umfaßt heute 325 Milliarden Mark Verbindlichkeiten, die aus der DDR übernommen wurden, von der Gesamtverschuldung des Republikhaushaltes bis zu aufgelaufenen Schulden der Treuhandanstalt. Darüber hinaus sind weitere Privatisierungen von Bundesvermögen in Höhe von rund 1,4 Milliarden Mark vorgesehen.
Während Bundesfinanzminister Theodor Waigel (CSU) der protestierenden Opposition in Bonn vorrechnete, daß die Steuersenkung durch die Einsparung der Zinsen finanzierbar gemacht worden wäre, die man andernfalls für nötige Kredite zur nun ausgesetzten Tilgung hätte aufnehmen müssen, stieß das Konzept zur Solisenkung sowohl bei Vertretern der Wirtschaft als auch der Gewerkschaften auf heftige Kritik.
Die Bundesregierung verstecke ihre Schulden in Schattenhaushalten, sagte Walter Riester, zweiter Vorsitzender der IG Metall. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, äußerte, daß letztlich nur »die Schulden der Kinder erhöht« würden.
Erwartungsgemäß wies der Bundestag mit den Stimmen der Koalition am Donnerstag zugleich den Vorschlag des rot- grün dominierten Vermittlungsausschusses zur großen Steuerreform zurück. Dieser hatte vorgesehen, die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung um jeweils einen Prozentpunkt zu senken und dafür die Mehrwertsteuer um ein Prozent sowie die Mineralölsteuer um zehn Pfennig pro Liter anzuheben.
Wenn sich, voraussichtlich am 17. Oktober, der Bundesrat nach der jetzigen Entscheidung im Bundestag erneut mit den Steuerreform-Gesetzen befaßt, gilt es als sicher, daß die SPD-dominierte Länderkammer ihre erforderliche Zustimmung verweigert. Damit wird dann auch formell das von der Regierungskoalition initiierte Gesetzgebungsverfahren gescheitert sein.
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