Aus: Ausgabe vom 03.11.2012, Seite 3 / Schwerpunkt
Parlamentarische Untersuchung
In Thüringen radikalisierten sich die mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe bis zu ihrem Untertauchen, Sachsen nutzten sie als Rückzugsgebiet, in Bayern wurden fünf der zehn Morde begangen, die bisher dem »Nationalsozialistischen Untergrund« zugerechnet werden. Die Parlamente der drei Bundesländer haben deshalb Untersuchungsgremien eingesetzt.
Der Ausschuß des Bundestages befaßte sich in den letzten Wochen unter anderem mit der Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Auffliegen des Trios. Befragt wurde dazu der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Klaus-Dieter Fritsche, der erst nach mehr als einem halben Jahr anordnete, das Schreddern der Dokumente zu stoppen. Mitglieder des Ausschusses suchen laut Grünen-Obmann Wolfgang Wieland weiter nach dem Motiv – und schließen nicht aus, daß ein Mitglied des NSU-Trios »V-Person« des Inlandsgeheimdienstes war.
Der bayerische Untersuchungsausschuß steht erst am Anfang seiner Arbeit – und fühlt sich durch den ausufernden Geheimschutz des Landesinnenministeriums massiv behindert. Der Vorsitzende des Gremiums, Franz Schindler (SPD), sagte Anfang der Woche der Süddeutschen Zeitung, eine öffentliche Aufklärung sei kaum möglich. Die Grünen-Abgeordnete Susanna Tausendfreund ergänzte, in den nichtöffentlichen Sitzungen ergebe sich ein ganz anderes Bild, brisante Dinge würden dort besprochen. Die bayerischen Kontakte des NSU-Trios scheinen jedenfalls bisher unterschätzt worden zu sein. In einem Rucksack von Uwe Mundlos wurde nach seinem Untertauchen 1998 eine Telefonliste gefunden, die bayerische Nummern enthielt.
Baden-Württemberg könnte das vierte Bundesland sein, das sich zu einem Untersuchungsausschuß durchringt. Hier ereignete sich der letzte bekannte NSU-Mord. Die in Heilbronn erschossene Polizistin Michèle Kiesewetter wurde nach Aufdeckung der Verbrechensserie die meiste Zeit als Zufallsopfer gehandelt – die Täter seien scharf auf ihre Dienstwaffe gewesen. So hieß es, nachdem der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, von einer möglichen »Beziehungstat« gesprochen hatte und gleich wieder zurückgerudert war. Inzwischen wurden aus dem Kollegenkreis Kiesewetters Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klan bekannt, dessen deutsche Sektion zudem von einem V-Mann des Verfassungsschutzes gegründet worden sein soll.
Auch in Hessen, wo 2006 Halit Yozgat, das letzte Opfer der rassistischen Mordserie, in seinem Kasseler Internetcafé starb, während ein hauptamtlicher Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz am Tatort war und angeblich nichts mitbekam, gibt es bisher keinen Untersuchungsausschuß.
(clw)
Der Ausschuß des Bundestages befaßte sich in den letzten Wochen unter anderem mit der Aktenvernichtung im Bundesamt für Verfassungsschutz nach dem Auffliegen des Trios. Befragt wurde dazu der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Klaus-Dieter Fritsche, der erst nach mehr als einem halben Jahr anordnete, das Schreddern der Dokumente zu stoppen. Mitglieder des Ausschusses suchen laut Grünen-Obmann Wolfgang Wieland weiter nach dem Motiv – und schließen nicht aus, daß ein Mitglied des NSU-Trios »V-Person« des Inlandsgeheimdienstes war.
Der bayerische Untersuchungsausschuß steht erst am Anfang seiner Arbeit – und fühlt sich durch den ausufernden Geheimschutz des Landesinnenministeriums massiv behindert. Der Vorsitzende des Gremiums, Franz Schindler (SPD), sagte Anfang der Woche der Süddeutschen Zeitung, eine öffentliche Aufklärung sei kaum möglich. Die Grünen-Abgeordnete Susanna Tausendfreund ergänzte, in den nichtöffentlichen Sitzungen ergebe sich ein ganz anderes Bild, brisante Dinge würden dort besprochen. Die bayerischen Kontakte des NSU-Trios scheinen jedenfalls bisher unterschätzt worden zu sein. In einem Rucksack von Uwe Mundlos wurde nach seinem Untertauchen 1998 eine Telefonliste gefunden, die bayerische Nummern enthielt.
Baden-Württemberg könnte das vierte Bundesland sein, das sich zu einem Untersuchungsausschuß durchringt. Hier ereignete sich der letzte bekannte NSU-Mord. Die in Heilbronn erschossene Polizistin Michèle Kiesewetter wurde nach Aufdeckung der Verbrechensserie die meiste Zeit als Zufallsopfer gehandelt – die Täter seien scharf auf ihre Dienstwaffe gewesen. So hieß es, nachdem der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, von einer möglichen »Beziehungstat« gesprochen hatte und gleich wieder zurückgerudert war. Inzwischen wurden aus dem Kollegenkreis Kiesewetters Mitglieder des rassistischen Ku-Klux-Klan bekannt, dessen deutsche Sektion zudem von einem V-Mann des Verfassungsschutzes gegründet worden sein soll.
Auch in Hessen, wo 2006 Halit Yozgat, das letzte Opfer der rassistischen Mordserie, in seinem Kasseler Internetcafé starb, während ein hauptamtlicher Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz am Tatort war und angeblich nichts mitbekam, gibt es bisher keinen Untersuchungsausschuß.
(clw)
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