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Aus: Ausgabe vom 06.04.2013, Seite 16 / Aktion

jW vor Ort

Entscheidung in Venezuela: Ein Online-Spezial begleitet die Wahl des Nachfolgers von Hugo Chávez
Von Arnold Schölzel
Präsidentschaftskandidat Nicolás Maduro während
Präsidentschaftskandidat Nicolás Maduro während einer Wahlveranstaltung im Bundesstaat Cojedes, 4. April 2013
Am 14. April wählt Venezuela den Nachfolger des am 5. März verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez. Für das Regierungslager tritt der frühere Außenminister und Vizepräsident Nicolás Maduro an, der das Amt derzeit geschäftsführend ausübt, für die Opposition geht erneut Henrique Capriles Radonski ins Rennen. Er war bei der letzten Wahl am 7. Oktober 2012 Hugo Chávez eindeutig unterlegen. Alle Umfragen sagen derzeit einen klaren Sieg Maduros voraus, der von Chávez in dessen letzter öffentlicher Ansprache am 8. Dezember 2012 als Nachfolger vorgeschlagen worden war.

Jahrelang wurde Hugo Chávez in den Mainstreammedien als »verrückt« oder zumindest »exzentrisch« porträtiert. Nach seinem Tod war nicht Schluß, im Gegenteil. Wer am Boden liegt oder tot ist, reizt das deutsche Mediengewerbe zu verbalen Brechdurchfällen. »Caudillo, Comandante, Borderline-Demokrat« tönte die Süddeutsche Zeitung, Spiegel online wußte, Chávez habe sein Land »wie seine private Hacienda« regiert, und der Chefredakteur des Handelsblatts Gabor Steingart vermeldete den Tod eines »aggressiven Anti-Amerikaners«. Chávez war zwar Amerikaner, aber einem Großbundesdeutschen wie Steingart ist transzendentale Geringschätzung von Fakten angeboren. Von einem »Meister des Hasses« .schrieb Hildegard Stausberg in der Welt und außerdem, es sei unglaublich, daß Männer seines Schlages immer wieder in Lateinamerika »nach oben« kommen – anstatt unten zu bleiben, wo sie aus der Perspektive einer Herrenvolk-Propagandistin hingehören: »Männer, die lügen, betrügen, töten und zum Töten ermuntern, die keine Gesetze befolgen, keine Abkommen einhalten, Chaos und Unsicherheit fördern und die dennoch von einem großen Segment der unteren Bevölkerungsschichten verehrt, ja abgöttisch geliebt werden.« Chávez hätte noch mehrmals wiedergewählt werden können, er war schon wegen Herkunft und Programm illegitim. Nicht viel anders in der Intention, aber besser verpackt, meinte ND-Chefredakteur Tom Strohschneider: »Der ›Comandante‹, der Irans Machthaber Achmadinedschad umarmt, der sich mit Despoten trifft und auf der internationalen Bühne mit dem Holzhammer umso vehementer voranschritt, je schwieriger es für ihn wurde, zu Hause die politische Zustimmung zu sichern. Chávez, der seinen paternalistischen Sozialismus auf Öl baute, ausgerechnet den Schmierstoff des westlichen Kapitalismus.«

Nun hat der Wahlkampf begonnen und das gleiche Muster übertragen die Herrschaften von der antikommunistischen »Volksaufklärung« auf Maduro. Ein kleines Beispiel war die Meldung von dpa am Mittwoch, derzufolge er erklärt habe, Chávez sei ihm »in Gestalt eines Vögelchens erschienen«. Tatsächlich hatte der Nachfolger des verstorbenen Staatschefs lediglich über seinen Besuch bei Angehörigen von Hugo Chávez in dessen Geburtshaus berichtet. Dort habe er dessen »Geist« gespürt, sagte Maduro und berichtete nebenbei auch von dem Erlebnis mit einem kleinen Vogel während des Besuchs. In der Bundesrepublik, in der linkes Engagement als »deviantes Verhalten« von sogenannten Wissenschaftlern untersucht wird, kann ein einflußreicher linker Politiker nur als Plemplem gelten.


Tatsachen aus Venezuela sind da nicht vorgesehen. jW will sie aber haben. Diese Tageszeitung wird daher mit insgesamt vier Vertretern in dem südamerikanischen Land präsent sein. Die ständige jW-Korrespondentin in Barinas, Modaira Rubio, wird ab dem 9. April in Caracas durch André Scheer, dem Ressortleiter Außenpolitik, sowie die Fotografin Claudia Schröppel unterstützt. Zudem wurde Katja Klüßendorf, Ressortleiterin für Marketing und Kommunikation beim Verlag 8. Mai, vom Nationalen Wahlrat (CNE) als Wahlbeobachterin eingeladen. Auch ihre Eindrücke werden nach der Wahl in die Berichterstattung einfließen.

Zusätzlich zur Printausgabe ist seit Mittwoch auf der jW-Internetseite ein Online-Spezial abrufbar, in dem regelmäßig über die Wahlkampagne, über die Wahl selbst und die Ergebnisse berichtet wird. Wir reagieren damit auch auf die positive Resonanz, die unsere Berichte über die Wahlen 2012 in Venezuela und zum Tod von Hugo Chávez gefunden haben.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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