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Aus: Ausgabe vom 01.08.2013, Seite 12 / Feuilleton

Schalldämpfer (13)

Von  Wiglaf Droste
Als Jan und ich die Kaschemme verließen, stand Ralf schon ganz zappelig vor der Tür und präsentierte den Fluchtwagen: ein rotes MG-Cabrio. »Prima«, lobte ich ihn, »genau das richtige Auto für eine Fahrt zu dritt.« – »Kein Problem«, beschwichtigte Ralf. »Jan ist klein genug, den quetschen wir hinter die Vordersitze, er pennt seinen Rausch aus, und wenn wir in Berlin sind, ist er wieder aus einem Guß.«

Jan sah ihn giftig an und wollte schon antworten, als ein Streifenwagen heranglitt. Die Petermänner hielten direkt neben uns, der Beifahrer ließ das Seitenfenster herunter, musterte uns, schnallte den Sicherheitsgurt ab, stieg aus dem Auto und verlangte unsere Papiere.

»Eck ben irischer Staatsburger«, wandte Ralle erstaunlich würdevoll ein. »Darf eck fragen, was die Grund fur Ihrem Begehr ist?« Auch der Fahrer war inzwischen ausgestiegen und blaffte Ralle an: »Die Papiere bitte. Als Bürger der EU sind Sie verpflichtet, sich auszuweisen.« Ralle bedachte ihn mit einem sardonischen Lächeln, gab ihm aber das Dokument, und auch ich drückte ihm meinen offiziellen Identitätsnachweis in die Hand.

Der Beifahrer wandte sich Jan zu. »Sie auch. Ihre Papiere, bitte.« Jan war wie verwandelt. In der Kneipe noch beschnapst und maulig, gab er sich jetzt als Liebenswürdigkeit in Person. »Meine Herren«, sagte er mit gewinnendem Lächeln, »meine Eltern haben mich zu einem Leben als Anthroposoph verurteilt. Weltliche Dinge interessieren uns wenig; uns ist es um die Harmonie zu tun, um den Wohlklang.« Die Beamten waren irritiert, und Jan nutzte das clever aus.

»Ich werde Ihnen meinen Namen tanzen, eurhythmisch. Meine Europäische Union ist die Eurythmie.« Dann begann er herumzuhopsen und die Arme in der Luft zu schlenkern und zu biegen. Nicht nur die beiden Streifenhörnchen staunten nicht schlecht; auch Ralle und ich wußten nicht recht, wohin wir wegkucken sollten. »Ein J!«, rief Jan verzückt, als trüge er Tutu und Ballettschuhe mit Spitze. »Ein A!« ergänzte er, »ein N!«, und dann warf er sich der Länge nach auf den Boden und streckte sich.

Was sollte jetzt das? Die Erklärung ließ nicht lange auf sich warten. »Das ist der Bindestrich!« erläuterte Jan im Liegen. »Ich heiße Jan-Michael, und Bindestriche kommen in der klassischen Eurythmie nicht vor. Da habe ich eben improvisiert.« Er stand auf, um den zweiten Teil seines Vornamens zu tanzen, aber die Polizisten hatten genug gesehen. »Kommen Sie gut an!« sagte der Fahrer, als säße ihm der kalte Grusel im Nacken, gab uns die ungeprüften Ausweise in die Hand und verschwand mitsamt seinem blaß gewordenen Kollegen.

»Dafür darf ich fahren«, grinste Jan. »Und Ralle muß nach hinten.«

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