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Aus: Ausgabe vom 14.11.2013, Seite 3 / Schwerpunkt

Siechen lernen

Die SPD will als »linke Volkspartei« künftig »keine Koalition mehr ausschließen«. Dies soll auf dem heute beginnenden Bundesparteitag in Leipzig im Rahmen eines Leitantrags zu politischen Perspektiven der Partei beschlossen werden. Damit wäre die SPD zukünftig bereit, mit Grünen und Linkspartei auf Bundesebene zu regieren, was sie bisher strikt abgelehnt hat.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, lud am Mittwoch die SPD gleich zu Gesprächen ein. »Die Ausschließeritis hat der SPD nichts genutzt«, sagte er im RBB-Inforadio. »Sie hat sich damit selbst in die große Koalition hineingezwungen.« Die Sozialdemokraten müßten sich politisch bewegen. Krieg in Afghanistan, der größte Niedriglohnsektor in Europa oder die Rente mit 67 seien »nicht sozialdemokratisch«. Und weiter: »Wir müssen über diese Dinge mal sprechen.« Es gehe um die Frage, »wo wollen wir denn eigentlich hin mit der Gesellschaft«.

Gysis Stellvertreterin Sahra Wagenknecht forderte die SPD auf, konsequent zu sein und die Koalitionsverhandlungen mit der Union sofort abzubrechen. Grund: Im neuen Leitantrag nenne die SPD-Führung eine »verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik« als Bedingung für künftige Regierungsbündnisse. Die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) könne »kein denkender Mensch für verantwortungsvoll halten«, so Wagenknecht gegenüber dpa.

Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Diether Dehm, und der Linke-Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke schließlich meldeten »Korrekturbedarf« bei der SPD an. In einer gemeinsamen Stellungnahme betonten sie: »Im heute verbreiteten Medienverständnis will die SPD-Führung vor einer Kooperation das ›Abschleifen‹ der linken Europa- und der Außenpolitik. Die SPD-Spitze übersieht, wenn sie solches von der Linken unter der Chiffre ›verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik‹ verlangt, ihren eigenen Korrekturbedarf. Der SPD-gestützte Einmarsch in Afghanistan hat, gegen alle linken Warnungen, wenig Verantwortung für Friedensbewegung, Soldaten, Afghanen erkennen lassen, ja, nicht mal ein verantwortungsvolles Ausstiegsszenario. So kurz vorm 100. Jahrestag der SPD-Zustimmung zu den Kriegskrediten sollte auch die SPD beherztes Umlernen signalisieren.« Genauso hätten sich das »bedingungslose Mitstimmen« für den »obermiesen Lissabon-Vertrag«, die Bankenrettungspakete, die sogenannten Schutzschirme, nicht eben »verantwortungsvoll« herausgestellt, weil dies nichts als Sozialkürzungen gebracht und Keile zwischen die europäischen Völker getrieben habe. »Von der SPD hier lernen, hieße Siechen lernen«, so Dehm und Gehrcke. (rg)

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