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Aus: Ausgabe vom 28.12.2013, Seite 16 / Aktion

»Als-ob-Kredit«

Wie Erfolge der jungen Welt zu neuen Existenzproblemen führen. Sicherheit durch Abonnements und Genossenschaft
Von Dietmar Koschmieder
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Liebe Leserinnen und Leser,

ein schwieriges, aber auch erstaunlich erfolgreiches Jahr geht für die junge Welt zu Ende. Im Vergleich zu 2012 konnten wir den Kioskverkauf noch einmal um 5,3 Prozent erhöhen, der Bestand an Printabos wuchs um 8,8 Prozent, und bei den Internetabos legten wir um 34,9 Prozent zu. Noch liegt der Jahresabschluß nicht vor, aber nachdem wir in den vergangenen Jahren das Minus kontinuierlich verringern konnten, dürfen wir 2013 mit einem Plus rechnen.

Start ins neue Jahr war gefährdet

Das ist aber auch dringend nötig. Unsere Hausbank hat nämlich auf die deutlich verbesserten Abogebühreneinzüge reagiert: Erst dadurch sei ihr aufgefallen, daß sie der jungen Welt einen »Als-ob-Kredit« gewähren würde. Unser Einwand, daß es sich doch eigentlich genau umgekehrt verhält, daß die Bank nämlich Monat für Monat über etliche 100000 Euro auf den jW-Konten verfüge, ließ der zuständige Sachbearbeiter (mit Hinweis auf seine Direktiven) nicht gelten: Theoretisch könnte bei einer Einstellung der Zeitung die Bank draufzahlen, wenn alle jW-Kunden ihre Abogebühren zurückverlangen würden. Man verlangte daher Sicherheiten in Höhe von gut 500000 Euro. Das könne für die junge Welt ja kein Problem sein: Ein Teil der Immobilien oder Aktienpakete müßten halt als Sicherheit hinterlegt werden. Die Bank weiß, daß wir so was nicht besitzen.

Bis vor zwei oder drei Jahren hätte dieses Problem das Ende der Tageszeitung bedeutet: Das Geld reichte gerade mal so für die laufenden Geschäfte. Und auch nur deshalb, weil wir für Investitionen, Liquiditätsengpässe und Bilanzprobleme auf unsere Genossenschaft LPG junge Welt eG zurückgreifen konnten. Aber selbst mit vereinten Kräften von Verlag und Genossenschaft ist es nicht möglich, mal eben rasch die jetzt geforderte Summe auf den Tisch zu legen. Ein weiteres Problem kam hinzu: Ab Februar 2014 müssen Firmen, also auch der Verlag der jungen Welt, ihre Bankgeschäfte nach dem neuen und aufwendigen ­SEPA-System abwickeln. Das bedeutet nicht nur bürokratischen und finanziellen Mehraufwand; unsere Hausbank war zunächst auch nicht bereit, vor dem Hintergrund der geforderten Sicherheiten das SEPA-Konto freizuschalten. Es war also lange Zeit nicht sicher, ob die junge Welt überhaupt in das neue Jahr starten können wird.

Hintergrund für das Verhalten der Bank

Hintergrund für das Verhalten der Bank sind wohl drei Faktoren: Die Anforderungen an die Geldinstitute von Aufsichtsbehörden in bezug auf Sicherheitsleistungen und Kapitalausstattung sind gestiegen. Da kommt es nicht gut, daß die Bilanz des Verlages der jungen Welt alles andere als freundlich aussieht: Die Eigenkapitalausstattung ist mit etwas über 25000 Euro miserabel. Auf der anderen Seite haben wir in den letzten Jahren unter dem Strich über 900000 Euro an Fehlbeträgen angehäuft (die zum größten Teil aus Forderungen der Genossenschaft bestehen). Das hat mit dem besonderen Umstand zu tun, daß Genossenschaft und Verlag zwei eigenständige Strukturen sind – und so die Genossenschaftseinlagen nicht automatisch zum Kapital des Verlages werden. Der dritte Fakt ist wohl die Situation in der Zeitungsbranche: Alle anderen überregionalen Tageszeitungen haben rückläufige echte Verkäufe am Kiosk und beim Printabo zu verzeichnen. Sparmaßnahmen gehen mittlerweile auf Kosten der journalistischen Qualität, der Rahmen für Preiserhöhungen wurde weitgehend ausgeschöpft. Und da diese Zeitungen früher vor allem von Anzeigeneinnahmen lebten, machen ihnen die Umverteilung des Werbekuchens und die damit verbundenen Umsatzrückgänge zusätzlich schwer zu schaffen. In den USA gibt es mittlerweile Riesenstädte ohne eine einzige gedruckte Tageszeitung. Auch in Deutschland wurde im letzten Jahr mit der Financial Times Deutschland die erste überregionale Zeitung vom Markt genommen. Die Frankfurter Rundschau existiert nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form. Einem Bänker kann da schon in den Sinn kommen, daß es wohl als nächstes vor allem Zeitungen wie die junge Welt erwischen wird: Es fehlt an Eigenkapital, um Krisen zu überstehen und in Entwicklungen zu investieren, es fehlt ein fetter Verlag, eine Partei oder Kirche, die Defizite ausgleicht.

Wie wir die Probleme lösen

Allerdings ist diese Tageszeitung in jeder Hinsicht eine außergewöhnliche. Das fängt mit den Inhalten und dem Format an, geht über die Art der Organisation, Produktion und Werbung und hört bei den Eigentumsverhältnissen nicht auf: Die Mitarbeiter machen nicht nur einen Job, die Leserinnen und Leser sind nicht nur Konsumenten.

Zunächst haben wir bereits 2012 ein wichtiges Ziel erreicht: Der Verlag kann seine laufenden Kosten aus den laufenden Einnahmen decken! Das führt dazu, daß neue Anteile für die Genossenschaft angesammelt werden konnten – und nicht als Kredite ausgegeben werden mußten. Im laufenden Jahr konnten wir 520 Anteile gewinnen (334 davon im Rahmen unserer aktuellen Kampagne, mit der wir bis März 2014 mindestens 380 Anteile sammeln wollen). Wir halbierten die erforderliche Sicherheit auf 250000 Euro, indem wir eine zweite Bank als Partner gefunden haben, die einen Teil der Einzüge für uns vornimmt. Die Summe ist hinterlegt, mittlerweile sind die Konten freigeschaltet, und der besonders wichtige Jahreseinzug Januar läuft, die Vorbereitungen für die SEPA-Umstellung sind weitgehend abgeschlossen.

Das war zwar unser zentrales Problem, nicht aber unser einziges. Denn tatsächlich müssen auch wir uns den veränderten Marktbedingungen anpassen. Wir legten eine Leserbefragung auf, die zur Zeit erfaßt und ausgewertet wird. Daraus wollen wir wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung von Print- und Onlineausgabe der jungen Welt gewinnen, die bis zum Herbst 2014 umgesetzt werden soll. Damit verbunden ist eine komplette Erneuerung unserer technischen Ausstattung. Auch dafür wird dringend Geld benötigt. Die Finanzierung der Modernisierung läuft über erwirtschaftete Eigenmittel des Verlages, Kredite der Genossenschaft und mit Zuschüssen der Investitionsbank Berlin und wird uns die nächsten zwei bis drei Jahre beschäftigen.

Abonnements sind entscheidende ­ökonomische Größe

Dies alles wird nur möglich sein, wenn wir auch weiterhin neue Mitglieder bzw. weitere Anteile für unsere Genossenschaft gewinnen können. Ganz entscheidend ist aber vor allem, daß wir auch im kommenden Jahr bei den Kioskverkäufen, Print- und Online­abonnements hinzugewinnen! Das sind und bleiben die entscheidenden Größen unserer Ökonomie! Deshalb haben wir die Aktion »Was tun – 10000 Probeabos für die junge Welt« gestartet. Wir haben gute Chancen auf dem Markt – vorausgesetzt, man kennt unser journalistisches Angebot! Die Aktion läuft bis Ende März, auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar werden wir Halbzeitbilanz ziehen. Die bis dahin angepeilten ersten 5000 Probeabos werden wir da noch nicht geschafft haben. Auch deshalb wollen wir uns nach der Konferenz ganz auf diese Kampagne konzentrieren! 10000 Probeleser bedeuten, daß mindestens 20000 Menschen neu mit der jungen Welt in Kontakt kommen. Und das führt zu erhöhten Kioskverkäufen, weiteren Abonnements!

Das ist nicht nur ökonomisch dringlich, es erhöht auch den Bekanntheitsgrad und damit den Einfluß der jungen Welt. Und hier gibt es viele Möglichkeiten, wie die Leserinnen und Leser unsere Arbeit unterstützen können: Jedes einzelne Probeabo, das geworben oder verschenkt wird, zählt! Denn diese dreiwöchigen Testabonnements kommen nicht durch anonyme Internetklicks, automatisches Angebot für neue Parteimitglieder oder durch üppige Geschenke bei der Straßenwerbung zustande. Sondern in jedem Einzelfall durch die konkrete Empfehlung einer Leserin, eines Lesers der jungen Welt! Deshalb ist die Umwandlungsquote der Probeabonnements in Vollabos bei uns so ungewöhnlich hoch.

Ein weiterer Höhepunkt unserer Aktivitäten wird die große Verteilkampagne rund um den 1. Mai 2014 sein: Erneut wollen wir mit 100000 zusätzlich verbreiteten Ausgaben der jungen Welt diese Zeitung im deutschsprachigen Raum bekannter machen. Ohne Ihre Hilfe schaffen wir das alles nicht.

Ein harter Kampf

Der Erfolg der jungen Welt liegt in ihren Inhalten begründet: Sie berichtet und analysiert nicht vom Standpunkt der Besitzenden und in deren Auftrag Regierenden. Aber auch hier gilt das Primat der Ökonomie: Kritische gesellschaftliche Analyse können wir nur leisten, solange es uns gelingt, die materiellen Voraussetzungen dafür abzusichern. Das bleibt ein harter Kampf.

Jede zusätzlich verkaufte Zeitung, jedes Abo zählt dabei. Für Ihre Unterstützung im alten und im neuen Jahr danken wir herzlichst!

Unterstützen Sie die junge Welt bei der Probeabokampagne!

Spenden bitte auf folgendes Konto:

Kontoinhaber: Verlag 8. Mai GmbH
Geldinstitut: Postbank
Bankleitzahl: 100 100 10
Kontonummer: 69 56 82 100

Stichwort: Probelesen

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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