75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Mittwoch, 27. November 2024, Nr. 277
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 23.09.2014, Seite 3 / Schwerpunkt

Oligarchenleben: Haifisch mit Zähnen

Michail Borissowitsch Chodorkowski, 1963 in Moskau in einer Familie von Naturwissenschaftlern geboren, träumte von einer Karriere in der Rüstungsindustrie. Daraus wurde nichts, weil seine Eltern Juden waren. So wurde er Politiker und machte Karriere im KPdSU-Jugendverband Komsomol, und als Ende der 1980er Jahre der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow glaubte, die Versorgungslücken mit Hilfe sogenanntern Kooperativen schließenbeheben zu können, faktisch Privatunternehmen als Insellösungen im Plansystem, sah er seine Chance. Noch vor dem Ende der Sowjetunion gründete der Endzwanziger seine erste Bank, der er als stellvertretender Energieminister unter dem damaligen russischen Präsidenten Boris Jelzin die Finanzierung wichtiger staatlicher Ölfirmen zuschanzte. Eine davon, das Konglomerat Jukos, ersteigerte die Bank dann in einer Insiderauktion weit unter dem Marktwert vom Staat. Chodorkowski gehörte auf einen Schlag zu Rußlands Superreichen.

Die Verwandlung der Privatmacht des Geldbesitzers in gesellschaftliche Macht probierte er erstmals 1996 mit Erfolg aus: aAls Organisator einer von der Oligarchenklasse finanzierten Propagandakampagne, mit der die Wiederwahl des chancenlosen Jelzin gegen starke kommunistische Konkurrenz gesichert werden sollte. Mit dem Erfolg wuchsen die Ansprüche. Chodorkowski verweigerte der Staatsmacht die Symbiose, mit der sich andere Angehörige seiner Klasse erpreßbar halten ließen. Er wollte direkt Einfluß nehmen, spendete sowohl für die Liberalen als auch für die Kommunisten, brüstete sich öffentlich, er könne sich jederzeit eine Mehrheit in der Staatsduma zusammenkaufen. D, und der inzwischen an die Macht gekommene neue Präsident Wladimir Putin hielt das offenbar für plausibel genug, um Chodorkowskis Treiben ein – vorläufiges – Ende zu setzen. Ende 2003 ließ er den Oligarchen aus seinem Privatjet heraus verhaften und wegen diverser Steuer- und Finanzdelikte inhaftieren. Egal, wie berechtigt die Vorwürfe im Einzelnen waren, – das an Chodorkowski statuierte Exempel hat auf den Rest der russischen Oligarchie gewirkt. Sie hält sich seitdem aus der Politik heraus, es sei denn, einer wie Roman Abramowitsch wird von Putin »gebeten«, im Tausch gegen einen Gouverneursposten das entlegene Gebiet Tschukotka an der Beringstraße zu subventionieren. Villen und Fußballklubs fallen auch noch ab. (rl)

Ähnliche:

  • Applaus vom US-Vizepräsidenten Joe Biden (l.) und Kongr...
    22.09.2014

    »Freedom and Democracy«

    Seit Weltkriegsende ist die CIA in der Ukraine aktiv: von der Unterwanderung der Kulturszene über die Inszenierung einer »orangen Revolution« bis zur heutigen Militärberatung
  • Abschluß des Grenz- und Freundschaftsvertrags am 28.9....
    16.09.2014

    Fragwürdige Übereinkunft

    Geschichte. Selbstschutz oder Leichenfledderei? Am 17. September 1939 begann der Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen
  • Wer besorgte den Abschuß der Maschine auf Flug MH 17 am 17. Juli...
    02.09.2014

    Makabres Déjà-vu

    Der Absturz von Flug MH 17 wurde sofort propagandistisch ausgeschlachtet. Das erinnert fatal an den 1. September 1983, als die Maschine des Flugs KAL 007 von einem sowjetischen Jäger abgeschossen wurde

Regio:

Mehr aus: Schwerpunkt

                                 Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Junge Welt-Fotowettbewerb