Keine Rundfunkbeiträge?
Zu jW vom 6. November: »Versuch eines Boykotts«
Der Beitrag von Gitta Düperthal ist mir wesentlich zu undifferenziert. Natürlich ärgere ich mich auch oft über die öffentlich-rechtlichen Sender, vor allem über »ZDF-History« vom unsäglichen Guido Knopp oder über Moderatoren wie Markus Lanz. Von den vielen Wiederholungen mal ganz zu schweigen. Dennoch sollte man von einer linken Zeitung, zu deren Zielen ja wohl auch eine solidarische Gesellschaft gehört, erwarten, dass sie sich diesem Thema grundsätzlicher widmet. Die Initiativen gegen die Rundfunkbeiträge kommen mir immer so vor wie die Kampagnen der amerikanischen Republikaner gegen die gesetzliche Krankenversicherung. Freiheit - schreien alle, Freiheit von den Rundfunkgebühren!
Dabei geht dann gerne der Blick fürs Wesentliche verloren: Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen nach 20.00 Uhr - also in der Primetime - keinerlei Werbung mehr senden, sie dürfen also dann, wenn Werbezeiten teuer sind, keine Werbung verkaufen, keine Einnahmen erzielen. Damit ist zumindest gewährleistet, dass die Sender nicht von einzelnen/mehreren großen Werbekunden abhängig werden und nur noch Sendungen bringen, die diesen Werbekunden gefällig sind. Kritik am Geschäftsgebaren solcher Werbekunden wäre für einen finanziell abhängigen Sender so etwas wie ökonomischer Selbstmord.
Öffentlich-rechtliches Fernsehen heißt also auch in bestimmtem Umfang unabhängiges Fernsehen. Bezahlt werden mit den Beiträgen ja nicht nur das Erste und Zweite Fernsehprogramm. Dazu gehören schließlich auch die regionalen Dritten Programme, die für die Berichterstattung aus der Region, aus dem Land unverzichtbar sind (wenn sie auch öfter wirklich schlecht sind!). Bezahlt wird mit den Beiträgen weiterhin die Vielzahl von Radioprogrammen, die vielen als eine Selbstverständlichkeit gelten, die es aber ohne diese Beiträge auch nicht gäbe. Dazu kommen die digitalen Programme von ARD und ZDF (in TV und Radio) sowie die besonderen Sender 3sat, Phoenix, arte und der Kinderkanal. Fiele diese Programmsparte weg, bestünde deutsches Fernsehen nur noch aus »Deutschland sucht den Superstar«, »Dschungelcamp« oder schlechten und brutalen US-amerikanischen Fernsehserien.
Kritik an den öffentlich-rechtlichen: Ja! Zum Beispiel daran, dass sie sich schon viel zu sehr an die Produktionen der Privatsender angeglichen haben. Oder auch daran, dass sie manchmal als extrem regierungsnah in Erscheinung treten. Andererseits halte ich eine Nähe zur Bundes- oder Landesregierung deutlich besser aus als eine Nähe zur US-Administration (wie z.B. die »Nachrichtensender« n-tv oder N24).
Wer Kritik an der Rundfunkgebühr äußert, muss das alles mitdenken. Jede deutliche Einschränkung der Beiträge führt zu einer Einschränkung der Programme. Und das führt dann zu einer immer größeren Abhängigkeit vom rein werbefinanzierten Privatfernsehen, zu einer Entwicklung hin zu amerikanischen Verhältnissen. Ich möchte eine demokratischere, sozialere und solidarischere Gesellschaft. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind keine Garantie dafür. Garantiert ist jedoch, dass sich die Gesellschaft ohne diese Medien und ohne deren solidarische Finanzierung in eine völlig andere Richtung entwickelt.
Klaus Thiede, Berlin-Steglitz