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Neonazi als Referent der Bundeswehr

SPD-Politiker fordert Entlassung von Verteidigungsminister Rühe

Der vorbestrafte Rechtsradikale Manfred Roeder ist im Januar 1995 als Weiterbildungsreferent an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg aufgetreten. Einen diesbezüglichen Bericht des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« bestätigte am Sonnabend das Bundesverteidigungsministerium in Bonn. Ein Sprecher kündigte zugleich eine Untersuchung des Vorgangs an. Dabei werde vorrangig zu klären sein, »ob jemand über Herkunft und rechtskriminellen Hintergrund Roeders Kenntnis hatte«.

Der frühere Rechtsanwalt Roeder, der bereits wegen rechtsradikaler Aktivitäten verurteilt wurde und regelmäßig Gegenstand von Verfassungsschutzberichten war, soll nach Angaben des Spiegel vom damaligen Chef des Stabes der Akademie eingeladen worden sein. Die Gastgeber wußten angeblich nichts über den politischen Hintergrund Roeders. Dessen Vortrag hatte laut Spiegel die »Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum Königsberg« zum Thema.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans Büttner nahm den Auftritt Roeders vor der Führungsakademie der Bundeswehr am Sonntag zum Anlaß, parlamentarische Dringlichkeitsanfragen an die Bundesregierung zu richten. Büttner will wissen, wie Roeder dort einen Vortrag halten konnte, »ohne daß das Verteidigungsministerium dagegen vorgegangen ist und ohne daß die dafür Verantwortlichen bisher zur Rechenschaft gezogen worden sind«.

Ferner forderte der SPD-Politiker Bundeskanzler Helmut Kohl auf, Verteidigungsminister Volker Rühe zu entlassen. Für die Bundeswehr müsse ein für alle mal klargestellt werden, »daß in der ersten Armee in einem demokratischen Deutschland nicht der geringste Platz für rechtsextremistisches Gedankengut ist und dies auch im Interesse ganz Deutschlands und seines Ansehens in der Welt liegt«.

Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr- Verbandes, Bernhard Gertz, und der SPD-Wehrexperte Walter Kolbow haben Konsequenzen aus den rechtsextremistischen Vorfällen in den Streitkräften verlangt.

Der Vortrag des Neonazis Manfred Roeder vor der Führungsakademie im Januar 1995 treffe die Bundeswehr »ins Herz«, sagte Kolbow am Sonntag im ZDF. Darüber und auch über die politischen Verantwortlichkeiten müsse am Mittwoch auch im Bundestags-Verteidigungsausschuß geredet werden. Gertz sagte in der selben Sendung, man könne die 160 rechtsextremistischen Vorfälle allein dieses Jahres natürlich »mit einigem rhetorischen Aufwand« zu Einzelfällen herunterspielen. Inzwischen werde dies aber peinlich.

Gertz forderte Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) auf, seinen Widerstand gegen eine sozialwissenschaftliche Studie über Rechsextremismus in der Bundeswehr aufzugeben. Für den Hamburger Vorfall gebe es keine Entschuldigung, sagte der Vorsitzende des Bundeswehr- Verbandes weiter. Wer einen rechtskräftig verurteilten Rechtsterroristen zu einem Vortrag einlade, habe entweder »sträflich geschlafen« oder selbst braunes Gedankengut im Kopf. Es sei auch zu fragen, wie so ein Thema wie die »Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum Königsberg« überhaupt auf dem Programm der Führungsakademie stehe.

(AP/ddpADN/jW)

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