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Aus: Ausgabe vom 19.12.2015, Seite 11 / Feuilleton

Weihnachten, die »Zeit für Gefühle«

Von Wiglaf Droste

Gefühle gibt es viele, auch im Weihnachtsmarktgewühle, und nicht immer sind es die freundlichsten. Das Geschiebe, Gedränge und Gezerre rückt einem nicht nur physisch auf die Pelle, sondern ist auch ein Angriff auf das olfaktorische System. Mit was für »Düften«, die aber Gestänke heißen müssen, sich Menschen jederlei Geschlechts und Alters einjauchen, kann sich kein Riechkolben jemals vorstellen. Doch die Menschheit tut es und begeht aggressive Akte wider den Geruchssinn, und weil Nasen sich nicht auf Wunsch von innen verschließen lassen, wird dem des Passivriechens mächtigen Passanten blümerant, und er geht schier in die Knie.

Also meidet er den Auflauf, so gut er es vermag, doch wird er auch in seiner Behausung aufgestöbert und behelligt. Dem Lokalblatt sind gewaltige Reklamehefte beigefügt, also quasi Postwurf- = Wegwerfsendungen. Sehr hervor tut sich dabei die Firma »Marktkauf«, die »mit Leidenschaft« und dem Hinweis »noch 2 Wochen« die »Zeit für Gefühle« ausruft und ihre »Knüller« anpreist. Ist »Knüller« der Komparativ von knülle? Nein, es handelt sich beispielsweise um Schweinefilet für 69 Cent pro 100 Gramm und um Pfanni Knödel aus der Tüte, die statt für 1.39 Euro für 99 Cent zu haben sind. Da läuft einem doch glatt das Abwasser im Arsch zusammen.

In das Gratisgegreine, bei Weihnachten handele es sich »doch nur noch um Konsum«, möchte ich keinesfalls einstimmen, und beinahe könnte ich verstehen, dass der vorweihnachtliche Qualmarsch durch vollgestopfte und miefende Fußgängerzonen Menschen dazu bringt, ihre Weihnachtsgeschenke via Internet zu ordern. Selber lasse ich die unegalen Finger davon, habe noch niemals ein Buch bei der Internetkirche Amazon bestellt, kein Schuhwerk bei Schusterhandwerksvernichtern wie Zalando und werde das auch nicht tun, was mich aber keineswegs zu einem besseren Menschen oder dergleichen Eiteltugut macht, der zu sein so unerstrebenswert ist wie eine Existenz als Mullahmuffkopp oder Pastor; ich halte es bloß konservativ mit der alten Devise »Support your local Dealer«, und das nicht nur zu Weihnachten, der Zeit für jene »Gefühle«, die man gegenüber hormonell aufgepumptem Schweinefleisch und Tütenknödeln hegt.