Lesetips
Ungleichheit wächst
Die Konjunktur brummt – bislang jedenfalls. Die offiziellen Erwerbslosenzahlen gehen zurück, seit einigen Jahren steigen auch die Real- oder zumindest die Tariflöhne wieder. Also profitieren alle vom Aufschwung? Keineswegs. Statt dessen nimmt die soziale Ungleichheit in Deutschland weiter zu, wie der aktuelle Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung belegt (jW berichtete). »Der konjunkturelle Aufschwung schlägt sich nicht in den materiellen Lebensbedingungen aller Menschen nieder«, stellt die Autorin Dorothee Spannagel in einem Beitrag für die WSI-Mitteilungen fest. Vielmehr finde offenbar eine weitere Polarisierung statt.
Die Forscherin beschreibt eine »Entkopplungstendenz«: Die tatsächlichen Lebensbedingungen in Deutschland entwickeln sich zunehmend unabhängig von der wirtschaftlichen Situation. »Die sehr Reichen schweben regelrecht über den konjunkturellen Krisen, während viele Arme auch von einem länger andauernden Aufschwung kaum profitieren können.« Zugleich steige der Anteil der Gewinne und Vermögen am Volkseinkommen. Um dem entgegenzuwirken, schlägt Spannagel unter anderem vor, den Mindestlohn zu erhöhen und dessen weitere Aushöhlung durch zusätzliche Ausnahmen – beispielsweise für Flüchtlinge – zu verhindern. Zudem plädiert die Wissenschaftlerin für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Anhebung und progressivere Gestaltung der Erbschaftssteuer. (dab)
WSI-Mitteilungen 8/2015, Jahresabo: 92,40 Euro (Studierende: 49,80 Euro), www.wsi-mitteilungen.de
Vereinbarung für Flüchtlinge
Was können Betriebsräte dazu beitragen, Flüchtlingen eine berufliche Perspektive zu bieten? Der ver.di-Fachbereich Besondere Dienstleistungen in Hamburg hat darauf eine erste Antwort entwickelt. Betriebliche Interessenvertreter könnten mit einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Einfluss nehmen, für die der Fachbereich ein Muster erarbeitet hat. Wie Mitautor Peter Bremme im Express erläutert, sieht es ein Stufenmodell vor, mit dem Flüchtlinge mit oder ohne formale Qualifikation in den Betrieb integriert werden könnten. Bremme betont, dass der Text nicht als »der Weisheit letzter Schluss« begriffen werden sollte, sondern als »Work in progress«. Verbesserungen und Ergänzungen infolge betrieblicher Erprobungen seien höchst willkommen. (dab)
Express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 11/2015, 16 Seiten, 3,50 Euro, www.labournet.de/express
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