Mein Leben als Dummy 1
Von Wiglaf DrosteVerglichen mit dem, was geschah, als ich unfreiwillig mein Treppenhaus durchsegelte, um äußerst unsanft zu landen, war der Prager Fenstersturz ein billiger Drahtseilakt mit Netz und doppeltem Boden. So kam es mir zumindest vor, als ich meine angedötschten Knochen auf dem Postament sortierte, das meinem Fall beendet hatte und auf das ich zu liegen gekommen war. Ich wollte mich auf- und hochrappeln, aber, wie es heißt: So schnell schießen die Preußen nicht. Alles ging, soweit es denn ging, sehr sehr langsam.
Nachdem ich aus der Horizontalen heraus und ins Vertikale hinein gekommen war, griff ich zu meinem Taschentelefon. Eine liebe Biene war so freundlich, mich in die Notaufnahme eines Krankenhauses zu fahren. Was zum Vorschein kam, nachdem ich mich meiner Kleidung bis auf die Unterhose entledigt hatte, wäre das blanke Entzücken gewesen für jeden Maler, der die Primär- und Komplementärfarben Gelb, Grün, Blau, Rot und Violett bevorzugt, und eine Grundierung in Schwarz lag teilweise auch schon vor.
»Ganzkörperhämatom«, konstatierte der Mediziner; der Kalauer von der Hämatomwirtschaft beziehungsweise der Hämatomindustrie fiel mir zwar ein, doch verkniff ich mir den Unfug, zumal der Arzt mich abzutasten begann. Es tat weh weh weh, er schüttelte den Kopf und sagte, da stünden größere Untersuchungen an, allerdings erst tags drauf, so dass ich im Krankenhaus zu verbleiben hatte. Abendbrot, auch Aaahmbrot genannt, gab es auch; das für mich vorgesehene war mit dem Namen »Dummy 1« gekennzeichnet, denn ich stand als Notaufgenommener ja noch nicht auf dem festen Essensplan. So kam ich als genau der Dummy 1, als den ich mich auch ansah, in Berührung mit, ich zitiere: »Str.wurst, Str.käse, vegPaste, ma.Strkäse, maStrwurst«, das ganze Str-Ensemble auf »Grahambrot«. Graham Parker oder doch Graham Bonney? Davon demnächst mehr.
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