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Aus: Ausgabe vom 09.07.2016, Seite 11 / Feuilleton

Welterbe und Eszett

In Istanbul wird am Wochenende über die Aufnahme neuer Stätten in die Liste des Unesco-Welterbes beraten. 29 Nominierungen liegen vor, darunter die Neandertaler-Höhlen von Gibraltar und eine Marinewerft im Inselstaat Antigua. Ein gemeinsamer Antrag von sieben Staaten hat die Würdigung des Vermächtnisses von Le Corbusier (1887–1965) zum Ziel. Vorgeschlagen wird die Aufnahme einer beispielhaften Serie von 17 Gebäuden, die nach Entwürfen des Architekten in Argentinien, Belgien, Deutschland, Frankreich, Indien, Japan und der Schweiz entstanden.

In Chandigarh im Norden Indiens stehen Hauptwerke des schweizerisch-französischen Stadtplaners. Aus Deutschland gehören zwei Häuser der Stuttgarter Weissenhofsiedlung zum Antrag, die 1927 in wenigen Monaten unter der künstlerischen Leitung von Ludwig Mies van der Rohe entstand. Auch Walter Gropius war beteiligt. Le Corbusiers »Wohnmaschinen« erregten die größte Aufmerksamkeit. In seinem Doppelhaus lässt sich das Wohnzimmer durch Schiebewände und -betten in mehrere Schlafzimmer verwandeln. Die Nazis überlegten, die Siedlung abzureißen. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie zum Teil zerstört, 1958 unter Denkmalschutz gestellt.

2002 erwarb die Stadt Stuttgart das Doppelhaus von Le Corbusier, um darin das Weissenhofmuseum einzurichten. In der Straße »Am Weißenhof« mit »ß« übrigens, einem Zeichen, das die Architekten mit Hinweis auf ihre Internationalität ablehnten. Die »Freunde der Weissenhofsiedlung« müssen bis heute mit der Adresse »Am Weißenhof« leben (ein Äquivalent aus der Welt des Sports ist das vom TC Weissenhof ausgerichtete Tennisturnier auf dem Weißenhof). Mit einer Entscheidung des Unesco-Komitees in Istanbul ist Mitte des Monats zu rechnen. (dpa/jW)