Ankaras Feldzug gegen Kurden
Am Wochenende sollen bei den Luftangriffen der türkischen Armee auf die syrische Grenzregion 40 Zivilisten ums Leben gekommen sein. Die Streitkräfte samt ihren verbündeten islamistischen Kampftruppen (unter ihnen Söldner der berüchtigten Miliz »Harka Nur Al-Din Al-Senki«) töteten nach Angaben von Scharwan Darwisch, einem hochrangigen Offizier der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG/ YPJ), Dutzende Zivilisten in den arabischen Dörfern Sur Maghar und Dschub Al-kusa. Die Verletzten würden in Krankenhäusern in Rojava behandelt. In den Medien kursieren zudem grausame Videos und Fotos, auf denen Folterungen von kurdischen Kämpfern zu sehen sind, die in die Hände der islamistischen Handlanger Ankaras fielen.
Knapp eine Woche nach dem Beginn der Invasion intensiviert das türkische Militär die Attacken auf ihr eigentliches Ziel: die kurdische föderale Region Rojava. Truppen dringen immer tiefer nach Süden vor und sind nach Angaben von Beobachtern nur noch wenige Kilometer von der erst kürzlich durch die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) befreiten Stadt Manbidsch entfernt. Die SDF konnten zwar erstes türkisches Kriegsgerät unschädlich machen, haben aber angesichts der massiven Panzer- und Luftangriffe nur wenige Möglichkeiten.
In Diyarbakir wird der Angriffskrieg in Syrien genau beobachtet. Es ist ein tödliches Spiel, das Erdogan spielt, sagen viele Menschen auf der Straße. Die Polizei wird zunehmend zur Zielscheibe. In der vergangenen Woche wurden bei einem Anschlag auf die Polizeistation im südostanatolischen Cizre nach offiziellen Angaben elf Polizisten getötet. Der Angriff wird als Vergeltungsschlag gesehen: In den Kellern von Cizre verbrannten während der dortigen monatelangen Ausgangssperre Anfang des Jahres mehr als 145 Menschen bei lebendigem Leib in den von der Polizei attackierten Straßenzügen. Jede Hilfe von außen wurde blockiert. Wie das Leben in Diyarbakir im anhaltenden Ausnahmezustand aussieht, fragen wir eine Frau in der Innenstadt. Die Arbeitssituation sei schwierig, meint sie, die Stadt werde gemieden, Diyarbakir gilt als gefährlich. Nach dem Einmarsch der Türkei in Syrien sehe es zwar nicht danach aus, dass sich die Lage bald beruhigen werde. »Aber«, so fügt sie hinzu, »meine Hoffnung liegt im Kandilgebirge (einem Rückzugsgebiet der PKK im irakischen Gouvernement Erbil, jW)«.
(jb/hs)
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