»Alternativlosigkeit«: Mantra stärkt AfD
München. Die von Politikern gerne getätigte Aussage »Es gibt keine Alternative« trägt aus Expertinnensicht zum Erstarken »radikaler«, zur Zeit vor allem rechter Parteien wie der »Alternative für Deutschland« (AfD) bei. Die etablierten Wortführer entzögen sich durch den Ausschluss jeder anderen Option von vornherein der Kritik, sagte die Politikwissenschaftlerin Astrid Séville von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität am Wochenende der Deutschen Presseagentur. Ganze Bevölkerungsgruppen fühlten sich dadurch von diesen Parteien ausgeschlossen und wendeten sich »extremen« Ansichten zu. Für ihre Doktorarbeit zum »Prinzip TINA« (»There is no alternative«) hat die 31jährige unlängst den Deutschen Studienpreis erhalten.
»Wenn ihnen jemand die ganze Zeit sagt, dass das, was sie für politisch richtig halten, doch gar nicht zur Debatte steht, dass das falsch oder überhaupt keine Option ist, dann fühlen sie sich an den Rand gedrängt und nicht ernst genommen«, erläuterte Séville. »Entweder wenden sie sich dann ganz von der Politik ab, oder die Betroffenen radikalisieren sich und sagen: Wenn sie mich eh nicht mehr repräsentieren, will ich mit den etablierten Parteien auch nichts mehr zu tun haben.«
Zudem verfestige sich durch das Argumentationsmuster ein falsches Demokratieverständnis. »Demokratie besteht nun mal aus schwierigen Aushandlungen, Kompromissfindungen, Unsicherheit«, erläuterte Séville. »Bei Politik geht es um Lösungen auf Zeit, und Demokratie besteht aus Streit, Diskussionen und der Formulierung von Alternativen.« Das Wort »Alternativlos« werde seit seiner Kür zum »Unwort des Jahres 2010« zwar seltener benutzt – das Denkmuster sei aber nach wie vor verbreitet. Auch der Berliner Politikwissenschaftler Prof. Hajo Funke schrieb in seinem 2016 erschienenen Buch »Von Wutbürgern und Brandstiftern« über diesen Zusammenhang: Das Reden von der »Alternativlosigkeit« sozialer Ungerechtigkeiten hat nach seiner Analyse zum Erfolg einer »Alternative für Deutschland« beigetragen, die auf Ausgrenzung von Minderheiten setzt. (dpa/jW)
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