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Aus: Ausgabe vom 15.02.2017, Seite 10 / Feuilleton
Berlinale

Immer am falschen Ort. Die US-Sozialdoku »For Ahkeem« (Sektion »Forum«)

Von Robert Best

Die Männer sind im Knast oder tot. Die 17jährige Daje lebt mit ihrer Mutter und ihrem Neffen, einem Kleinkind, in einem heruntergekommenen Haus in St. Louis, Missouri. Sie schlagen sich irgendwie durch, träumen vom Schulabschluss oder einem eigenen Restaurant. Wie alle hier sind sie angreifbar und ungeschützt, angewiesen auf den Zusammenhalt der engeren Gemeinschaft, der Nachbarschaft, der Hood.

Das Sozialdrama »For Ahkeem« zeigt eine enge und beklemmende Welt, in der man als Jugendliche im Grunde ständig stört und keine Rückzugsräume hat. So ist man immer zur falschen Zeit am falschen Ort und hat Glück, wenn man deshalb nicht im Gefängnis landet oder erschossen wird. Die Verbrechen heißen Armut und Hautfarbe. Polizeiliche Morde sind Alltag, Ferguson ist nicht weit weg. Dort wird der 18jährige Michael Brown erschossen. Ein Fanal zur Revolte. Das Fernsehen zeigt es und bald gewinnt das Leben eine hoffnungsvolle Dynamik – die »Black Lives matter«-Bewegung ist auch in St. Louis auf der Straße.

Doch es ist, der Vergleich sei gestattet, ein wenig wie mit dem Zirkus in der Stadt. Irgendwann zieht er weiter, und der Alltagstrott kehrt zurück. Umso stärker wird das Bedürfnis, sich rauszuziehen aus dem Sumpf, und zwar nicht nur jeder für sich.

Nach zehn Minuten hat man wahrscheinlich schon die ersten Tränen verdrückt. Daje steht vor einem Richter, der sie wegen ungebührlichen Verhaltens von der Schule weist und in die »Innovative Concept Academy« schickt. Dort sind neben Lehrern Coaches tätig, am Eingang werden die Taschen nach Waffen durchsucht. Alle hier sind schwarz. An den Wänden hängen Bilder: Barack Obama, Michael Jordan, Muhammad Ali. Die Lehrer sind meist Männer, wie auch die Richter, die Schulleiter, die Sicherheitsleute. Die Objekte ihrer Erziehung sind zumeist arm, schwarz und weiblich.

Tollen Darstellerinnen und Darsteller machen die märchenhaften Elemente der Story und die plakativen Bilder wett. »For Ahkeem« ist ein sozialrealistischer Film der manipulativen Sorte, der mit probaten Mitteln erzeugt, was sozialrealistische Filme zu erzeugen haben: Anteilnahme.

»For Ahkeem«, Regie: Jeremy S. Levine und Landon Van Soest, 89 min, USA 2017, 15. u. 17.2.

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