Fitness für Adeline
Robert Miles’ Debütsingle »Children« ebnete Techno Mitte der 90er den Weg aus den Bunkern der Drogenopfer in die kleinbürgerlichen Wohnstuben. Dieses melodisch-melancholische Klaviergeklimper à la Richard Claydermans »Ballade pour Adeline« eignete sich mit dem daruntergelegten primitiven Beat, wenn man den Sofatisch beiseiteschob, prima für Fitnessübungen. In dieser Funktion erfreut sich der Track, der damals Nummer eins in 18 Ländern war und etwa fünf Millionen mal verkauft wurde, bis heute riesiger Beliebtheit. Komponiert hatte ihn der Schweizer Roberto Concina, Sohn italienischer Auswanderer, 1994 in einer vier mal vier Meter großen Garage. Es ging ihm dabei um die minderjährigen Opfer der Jugoslawien-Kriege, was aber kaum jemand ahnte, der sich auf der Tanzfläche oder im Aerobicstudio dazu straffte. Begonnen hatte Concina im Alter von 17 Jahren als Piratenradiomacher und DJ unter dem Einfluss von Koryphäen wie Robert Fripp und »gar Stockhausen«, wie Kurzbiographen später recht verblüfft beteuern sollten. Für die Geschäftstüchtigkeit des E-Musikers (von Elektro) spricht der Kontakt, den er vor seinem Superhit zu Madonna knüpfte. Sein softer Trance-Sound wurde unter dem eigens geprägten Begriff »Dreamhouse« zum Verkaufsschlager. Die Varianten, in denen »Children« seither erschien, sind unzählbar. Am Dienstag ist Robert Miles im Alter von 47 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit auf Ibiza gestorben. (jW)
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