New Labour in Reform-Euphorie
Eine Woche nach dem Wahlsieg der britischen Labour Partei schwärmt die Wirtschaft des Landes - einst eine der wichtigsten Stützen des Thatcherismus - bereits in höchsten Tönen von der neuen Regierung. Die meisten Pluspunkte für das Labour-Kabinett von Tony Blair sammelte in der vergangenen Woche Finanzminister Gordon Brown. Nicht nur, daß er der von der Notenbank lange erhobenen Forderung nachgab, die Leitzinsen um einen Viertelpunkt anzuheben, in einem überraschenden Schritt machte er zudem die Zentralbank in der Zinspolitik von der Regierung unabhängig - die nach Browns Worten weitreichendste Reform in der über 300jährigen Geschichte der Bank of England. »Das war genau das Richtige«, lobte der Chef des Unternehmerverbandes Institute of Directors (IoD), Tim Melville-Ross. Dies sei ein »Beweis dafür, wie sehr Labour gelernt hat, was eine gute Wirtschaft am Laufen hält«, verkündete der Verband.
Labour-Chef Blair, der seine Partei in den vergangenen Jahren auf einen wirtschaftsliberalen Kurs trimmte, belegte diese Haltung auch mit der Berufung des Chefs der British Petroleum, David Simon, in sein Kabinett. Simon soll als Staatssekretär für Handel und europäische Wettbewerbsfragen dafür sorgen, daß überall in Europa die Arbeitsmärkte flexibler werden.
Eine Rücknahme der konservativen Reformen, mit denen in den vergangenen Jahren die Rechte der Gewerkschaften gestutzt wurden, steht nicht auf dem Programm Blairs. Vielmehr soll die Berufung Simons dazu beitragen, »gemeinsam mit den Unternehmern eine moderne, dynamische Wirtschaft zu schaffen«, betonte Blair.
Allerdings gehörte es auch zu einer der ersten Maßnahmen der neuen Regierung, der Europäischen Sozialcharta beizutreten, gegen die sich die konservative Regierung Major mit Unterstützung der britischen Unternehmer stets vehement gewehrt hatte. Auch das tat der positiven Stimmung der Unternehmen gegenüber Labour indes keinen Abbruch - schließlich enthält die Sozialcharta bislang nur wenige und nicht sehr weitreichende Bestimmungen.
New Labour will aber das Kunststück zuwege bringen, gleichzeitig das radikalste Sozialprogramm der britischen Nachkriegsgeschichte umzusetzen. Schatzkanzler Gordon Brown sagte dem »New Observer« vom Sonntag, daß er für ein dreijähriges Ausgabenprogramm eine grundlegende Überprüfung der bisherigen öffentlichen Ausgaben in Auftrag gegeben habe. Das Programm sehe Erhöhungen in Kernbereichen vor. Unter anderem seien umgerechnet 13 Milliarden Mark für den sozialen Wohnungsbau veranschlagt. Ferner sagte der Finanzminister, die geplante Zusatzsteuer für privatisierte Versorgungsbetriebe solle auch für die britische Telekom gelten. Mit den Steuer- Mehreinnnahmen will die Regierung ein Beschäftigungsprogramm für 250 000 junge Arbeitslose finanzieren.
AP/AFP/jW
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