Nein und Amen
»Ratzinger war mein größter Irrtum«, schrieb Uta Ranke-Heinemann in einer Beilage dieser Zeitung, die im September 2011 zum Papstbesuch in Deutschland erschien. Seit der gemeinsamen Studienzeit 1953/54 in München habe sie ihn für einen »bescheidenen, intelligenten Theologen« gehalten. Erst 2005 sei ihr aufgegangen, dass er als »Chef der Glaubenskongregation, früher ›Inquisition‹ genannt (…) weltweit alle fortschrittlichen Theologen von ihren Lehrstühlen fegte und sich selbst auf allen Bischofssitzen geklont« habe.
Nach einem Studium der evangelischen Theologie in Oxford, Bonn, Basel und Montpellier war die älteste Tochter von Gustav Heinemann, Bundespräsident von 1969 bis 1974, zum Katholizismus übergetreten. Als erste Frau überhaupt erhielt sie 1970 eine Professur für katholische Theologie. Furchtlos polemisierte sie in dieser Eigenschaft gegen »Frömmigkeitsspektakel« oder bescheinigte der Lehre von der unbefleckten Empfängnis »sexualfeindliche und zölibatär-neurotische Züge«. 1981 plädierte Ranke-Heinemann in Moskau für die Abschaffung aller Atomwaffen. 1985 kandidierte sie bei den NRW-Landtagswahlen im Mai als Spitzenkandidatin der »Friedensliste«.
Nach Sachbuchbestsellern wie »Eunuchen für das Himmelreich« (1989) oder »Nein und Amen. Anleitung zum Glaubenszweifel« (1992), war sie 1999 parteilose Kandidatin der PDS für das Bundespräsidentenamt. Sie wollte damit ein Zeichen gegen den Kosovo-Krieg setzen.
Anlässlich ihres 90. Geburtstags am heutigen Montag empfiehlt sich ein Blick ins jW-Archiv, das etwa ihre »Gedanken einer Ketzerin« zur zweiten Enzyklika von Benedikt XVI. bereithält (6.12.2007). Oder ihre Erörterung des Wirkens von Kardinal Clemens August Graf von Galen (1878–1946) anlässlich dessen Heiligsprechung in Rom unter dem Titel »Ein Antisemit und Kriegsfreund« (7.10.2005). (jW)
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