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16.05.2018, 16:39:28 / Feuilleton

Kunzelmann gestorben

Dieter Kunzelmann, früher ein bekannter Linksradikaler, der zwischen politischer Aktionskunst und politischer Gewalt changierte, ist tot. Er starb am Montag im Alter von 78 Jahren in Berlin, wie sein früherer Anwalt Hans-Christian Ströbele am Mittwoch bestätigte. Geboren im fränkischen Bamberg gründete er 1959 in Münchner Bohemekreisen zunächst die Gruppe Spur, den deutschen Ableger der Situationistischen Internationale, und dann die Subversive Aktion, die auf eine Politik der Provokation setzte und den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), deren Mitglied Kunzelmann dann wurde, maßgeblich beeinflusst hat. Ab Mitte der 60er Jahre setzte sich dort seine antiautoritäre Fraktion durch und beflügelte die Revolte von 1967/1968.

Als Mitglied der legendären »Kommune 1« in Westberlin wurde Kunzelmann dann aus dem SDS ausgeschlossen. In der Kommune war er der politisch orthodoxe Gegenspieler des popkulturell orientierten Rainer Langhans. Nach deren Ende war er beim »Berliner Blues« dabei und absolvierte zusammen mit anderen eine Guerillaausbildung in Jordanien bei der palästinensischen Fatah. In der Folge galt Kunzelmann als Kopf der »Schwarzen Ratten / Tupamaros Westberlin«, die ausgerechnet am 9. November 1969, dem Jahrestag der Novemberpogrome von 1938, einen Bombenanschlag auf das jüdische Gemeindehaus verübten, der zum Glück scheiterte. In seiner 1998 erschienenen Autobiographie bestritt Kunzelmann seine Beteiligung an dem Anschlag und distanzierte sich davon, da sich ein solcher »angesichts der deutschen Vergangenheit von selbst« verbiete.

Später festigte er seinen Ruf als Provokateur und surrealer Politclown. Von 1983–1985 saß er für die Alternative Liste im Berliner Abgeordnetenhaus und rückte in den 90er Jahren dem damaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) auf die Pelle, indem er beispielsweise ein Ei auf dessen Kopf zerdrückte – mit den Worten »Frohe Ostern, du Weihnachtsmann«. Um einer drohenden Haftstrafe zu entgehen, inszenierte er 1998 per Traueranzeige seinen Tod, um dann doch wieder aufzutauchen: am 14. Juli 1999, seinem 60. Geburtstag. (jW)

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