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Aus: Ausgabe vom 20.11.2018, Seite 11 / Feuilleton
Droste

Wahre Tierrechte (39)

Von Wiglaf Droste

Wasser, Kaffee und ein fein zusammengestellter Imbiss wurden wie von Zauberhand gebracht und mit Anerkennung für die dienstbaren Geister, die hinter den Schaufenstern der großen, angenehmen Welt die Arbeit machten, zu sich genommen und verzehrt. Seniorchef Schwabedissen lächelte verbindlich um sich; die Ouvertüre hatte er sauber hingekriegt, die Wogen waren fürs erste geglättet, der erste Akt konnte beginnen, und für den Notfall hatte er ein paar unsichtbare, torpedogespickte Unterseeboote in der Hinterhand. Nachdem alle ihre ganz nach den eigenen Bedürfnissen gewählten Sitz-, Liege- oder Stehplätze eingenommen hatten, kam Schwabedissen langsam und absichtsvoll umständlich zum Thema. Er wirkte jetzt wie ein älterer, gütiger Herr mit leichten, ihn sympathisch wirken lassenden kleinen Mangelerscheinungen, was seine Kondition und seine Konzentrationsfähigkeit betraf.

Es war zweifelsfrei eine schöne Show, bestens geeignet, jeden Zuhörer milde und gefällig zu stimmen. Unangenehmes Vokabular wie »Schuldenlast«, »Kreditlinienüberschreitung« oder gar »Pfändung« und »Zwangsverkauf« wurden tunlichst vermieden; nein, hier kam nichts »unter den Hammer«, hier einigte man sich gütlich und zivilisiert. Es war wie bei einem gewieften Zahnarzt, der erst einlullte, beruhigte und betäubte, bevor er die sprichwörtliche Katze aus dem Sack ließ, um sie ihrer Zahnwaffen zu berauben. Das Gefühl, bei einem neu gewonnenen Freund einen guten, sicheren Hafen gefunden zu haben, machte sich breit; sicher, die Bank war zu vielem fähig, aber bei diesem Mann war man doch in guten Händen! Es war wie bei einem Seminar des »Körpersprache-Experten« Samy Molcho, der sogenannten Führungskräften gegen teuer Geld beibog, wie man eine frist- und abfindungslose Kündigung den als Kostenfaktor Abgestoßenen noch als Ausdruck der Wertschätzung andrehen und den Betrogenen noch die persönlichen Vorteile ihres rechts- und sittenwidrigen Rauswurfs einreden konnte, ganz hierarchiefrei, versteht sich.

Fortsetzung folgt

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