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Lauscher nahmen die letzte Hürde

Bundesrat stimmte Lauschangriff mit Zweidrittelmehrheit zu

»Die Wohnung ist unverletzlich« - so hieß es bis Freitag im Artikel 13 des Grundgesetzes. Mit der gestrigen Zweidrittelmehrheit im Bundesrat darf nun auch in Privatwohnungen abgehört werden. Natürlich nur im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, wie es offiziell heißt. Für die Verfassungsänderung gab es in der Länderkammer 47 von 69 Stimmen. Lediglich die rot-grün regierten Länder Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein votierten nicht für dieses Vorhaben. Zugleich verweigerte der Bundesrat aber erwartungsgemäß dem Ausführungsgesetz mit 42 Stimmen seine Zustimmung.

Dieses Abstimmungsverhalten war erwartet worden, nachdem die Bremer SPD-CDU-Koalition sich am Donnerstag abend auf ein Ja zur Verfassungsänderung verständigt hatte - allerdings unter der Bedingung, daß anschließend der Vermittlungsausschuß angerufen wird. Dort soll nach Möglichkeiten gesucht werden, Ausnahmeregelungen für Abgeordnete, Strafverteidiger und Priester auch auf Journalisten, Anwälte und Ärzte auszudehnen. Der Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hält die Kritik an fehlenden Schutzrechten für diese Berufsgruppen für »verfassungsrechtlich begründet«. Letztlich habe er aber vermeiden wollen, daß der Lauschangriff an Bremen scheitere.

Daß die SPD das Thema längst abgehakt hat, wird an der Haltung des niedersächsischen Ministerpräsidenten deutlich. Gerhard Schröder bekräftigte, daß seine Regierung hinter dem bisherigen Kompromiß zum Großen Lauschangriff steht. Niedersachsen habe zwar für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses votiert. Grund dafür sei aber lediglich, daß wegen der Vorbehalte Bremens nur auf diese Weise die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung sichergestellt werden konnte. Wenn es aber im Vermittlungsverfahren keine Verständigung gebe, dann werde Niedersachsen danach auch dem unveränderten Gesetz zustimmen. Dafür wird übrigens eine einfache Mehrheit genügen.

Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) betonte, es gehe beim Lauschangriff um ein »Signal, daß wir diesen Rechtsstaat gegen das Verbrechen verteidigen«. Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) forderte zusätzlich die Möglichkeit zur optischen Überwachung von Wohnungen. Auf jeden Fall dürften Anwaltskanzleien und Arztpraxen »keine Tabuzonen« für Ermittler sein. Bayerns Ministerpräsident Stoiber (CSU) befürchtet gar, daß die Grundgesetzänderung bei weiteren Ausnahmeregelungen ihre Wirkung verliere.

Es sieht alles danach aus, daß die festgeschriebenen Änderungen ohne Korrekturen ins Grundgesetz eingehen. Der Grundsatz »Die Wohnung ist unverletzlich« wird dabei durch folgende neue Regelungen eingeschränkt: Absatz 3: Begründen bestimmte Tatsachen den Verdacht, daß jemand eine durch Gesetz einzeln bestimmte besonders schwere Straftat begangen hat, so dürfen zur Verfolgung der Tat auf Grund richterlicher Anordnung technische Mittel zur akustischen Überwachung von Wohnungen, in denen der Beschuldigte sich vermutlich aufhält, eingesetzt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre. Die Maßnahme ist zu befristen. Die Anordnung erfolgt durch einen mit drei Richtern besetzten Spruchkörper. Bei Gefahr im Verzuge kann sie auch durch einen einzelnen Richter getroffen werden.

Absatz 4: Zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dürfen technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur auf Grund richterlicher Anordnung eingesetzt werden. Bei Gefahr im Verzuge kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden; eine richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachzuholen.

Absatz 5: Sind technische Mittel ausschließlich zum Schutze der bei einem Einsatz in Wohnungen tätigen Personen vorgesehen, kann die Maßnahme durch eine gesetzliche bestimmte Stelle angeordnet werden. Eine anderweitige Verwertung der hierbei erlangten Erkenntnisse ist nur zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr und nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzuge ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen.

(AP/AFP/jW)