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Aus: Ausgabe vom 15.07.2019, Seite 10 / Feuilleton
Literatur

Eine schröckliche Geschichte

Nachruf auf den Schriftsteller Michael Schulte
Von Ludwig Lugmeier

»Ich freu mich schon auf die Hölle« – vor 14 Jahren brachte der Picus-Verlag dieses autobiographische Buch auf den Markt, schön aufgemacht, ordentlich lektoriert, auf dem Cover ein anfangs der 50er Jahre geschossenes Foto: Familienbild mit Michael Schulte, einem blonden, schmalbrüstigen Jungen in gestreifter bis zum Nabel hochgezogener Wollbadehose. Mit 78 Jahren, am 20. Juni nachmittags vier Uhr, ist er schließlich zur Hölle gefahren. Ich ruf ihm ein Farewell hinterher und: Sei so gut, alter Freund, beleg für mich einen Platz, nicht zu nahe am Feuer, sonst verkohlt mir der Bauch, nicht zu fern, sonst vereist mir der Arsch, und so, bitteschön, dass ich die Beine ausstrecken kann.

Die Ewigkeit zieht sich ja hin, aber, dessen warst Du Dir schon zu Lebzeiten gewiss, für unsereins in höllisch guter Gesellschaft. Die mit angefaulter Zunge im Maul: alle droben im Himmel – dem Teufel sei Dank! Im tiefsten Höllengrunde dagegen die pataphysische Zunft. Da hockt das Gespenst der Freiheit Luis Buñuel auf den Schultern. Da jagt Max Ernst die Welt in die Luft, denn auf den Kopf stellen lässt sie sich nicht, da sie keinen besitzt. Da zertrampelt Jean Genet seinen Heiligenschein, und der heiligen Musik sägt John Cage die Stimmbänder durch.

Du kennst ihn ja aus New York. Und Marcel Duchamp und Man Ray und Eugène Ionesco und Chico, Harpo, Gummo, Groucho und Zeppo – nun, die waren wiederum bei Dir zu Besuch, da oben an der dänischen Grenze, als Grenzgänger, als sprechende Schatten. Hoffentlich, Michael, hoffentlich wird’s nicht zu eng in der Hölle. Und hoffentlich hat Alfred Jarry seinen König Ubu einzuschleusen verstanden. Von Rechts wegen gehört der Drecksack zwar in den Himmel, zu den Königen und Kardinälen, zu den Pfaffen und Henkern, aber – Merdre und Schoiße! –, Alfred Jarry hat ihn schließlich mit seinem Odem belebt. Er würde uns fehlen, und zwar ganz gewaltig. Wenn er aber dort ist, wenn er sich im Kotkessel suhlt, wenn er säuft, frisst und ratzt, wenn er schnarcht, furzt und neben den Speibeutel kotzt, dann machen wir uns endlich her über die Komödie, die wir uns ausgedacht haben, da oben bei Dir, hinterm Haus auf der Helle im winddurchpfiffenen Garten: die schröckliche Geschichte von König Ubus rotzgrünen Söhnen.

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