»Nur mir«
Von Peter Merg»Ein Glück, dass die wichtigsten HipHop-Alben schon existieren«, meint der Kollege Musikredakteur und hat sehr recht damit. Denn nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Montag wird es zukünftig für Musikproduzenten schwer, sich auch nur kleinster Tonfolgen aus anderen Werken zu bedienen. Oder zumindest sehr teuer. Denn der EuGH urteilte, dass Sampling ohne Erlaubnis nur in engen Grenzen zulässig ist. Lizenzfrei sei die Verwendung von Elementen anderer Musikstücke lediglich »in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form« oder wenn mit ihnen »interagiert« werden solle, sie also zitiert werden. Wie letzteres zu verstehen ist, wissen wahrscheinlich nicht einmal die Richter selbst so genau, aber als besonders kunstsinnig sind diese eh nicht bekannt. Ihr Spruch ist ein schwerer Schlag für die HipHop-Szene, die mit ihren frühen Meisterwerken in den ’80ern Samples in die Popmusik einführte, aus der diese Form des »Musical borrowing« mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist.
Freuen dürfen sich dagegen die Techno-Pioniere von Kraftwerk. Sie hatten vor 20 Jahren den Frankfurter Rapper und Produzenten Moses Pelham (Foto) verklagt, weil er Sabrina Setlurs Track »Nur mir« 1997 mit einem zweisekündigen Sample aus »Metall auf Metall« (1977) der Düsseldorfer Band unterlegt hatte. Eine Entscheidung pro Kraftwerk des Bundesgerichtshofs (BGH) von 2012 kassierte das Bundesverfassungsgericht vier Jahre später und legte die Angelegenheit dem EuGH in Luxemburg vor.
Der konkrete Fall geht nun zwar erneut vor den BGH, dennoch ist die Entscheidung richtungsweisend. Und das sogar doppelt: Denn nach Ansicht der europäischen Richter verstößt das deutsche Urheberrecht gegen die EU-Bestimmungen. Bislang war in Deutschland ein Musikstück, »das in freier Benutzung eines geschützten Werks geschaffen worden ist«, klugerweise nicht freigabebedürftig. Laut dem ziemlich angestaubten EU-Leistungsschutzrecht sind allerdings nur Parodien, Karikaturen oder Pastiches zulässig. Was ein Pastiche ist, dürften jetzt auch ältere Juristenjahrgänge nachschlagen müssen, doch wir helfen gern: Es handelt sich um die Imitation anderer Werke. Ob das im HipHop der Fall ist und wem darüber das letzte Wort gebührt, dürfen nun – Sie ahnen es – wohl wieder Gerichte klären. Wahrscheinlich heißt es dann auch für den EuGH bald wieder: »Nur mir.«
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