Am Rande
Den Gesetzen des Buchmessezyklus gehorchend, werfen die Verlage momentan so eifrig Neuerscheinungen auf den Markt, dass einem ganz schwindelig wird. Auch junge Welt-Autoren waren fleißig, allen vorweg Berlins finest Peter Wawerzinek. Der hat gerade den Roman »Liebestölpel« (Galiani) veröffentlicht, in dem er sich mit den Fährnissen der guten alten Amore befasst – natürlich autobiographisch geprägt. »Die Liebe«, sagt der Opa schon zum Jungen, »ach, die Liebe, besser du lässt die Finger davon.« Aber wie sollte er? Und schon steckt er mittendrin in den ersten unbeholfenen Versuchen, jemandem, für den er eindeutig mehr empfindet als kindliche Freundschaft, das auch zu sagen. Das kann nur schiefgehen, auch auf lange Sicht. Aber es ist wie immer nichts als die Wahrheit.
Die sucht auch Franz Doblers Exbulle Robert Fallner in »Ein Schuss ins Blaue« (Tropen), allerdings eine ganz andere. Nämlich die über einen islamistischen Terroristen und nicht minder mordgeile rechte Polizisten, den tiefen Staat. Ein scheinbar aussichtsloses Unterfangen. Aber Fallner wäre nicht Fallner, wenn er sich von miesen Erfolgsaussichten schrecken ließe. Entsprechende Manschetten sind Erwin Riess’ Privatermittler Groll ebenfalls fremd. Der abgeklärte Moralist und Rollstuhlfahrer hilft in »Herr Groll und die Donaupiraten« (Otto-Müller-Verlag) einer Gruppe von verfolgten Behinderten bei ihrer Flucht aus Europa, die Behörden im Nacken. Der Sozialist Riess weiß: Die größten Verbrechen sind immer gesellschaftlicher Natur. Davon zu erzählen ist im sich faschisierenden Gegenwartseuropa ein grausam-dankbarer Gegenstand.
Das klassische Erzählen ist für Florian Neuner dagegen ein Anachronismus. Mit Wolfgang Hildesheimer sieht er das »Ende der Fiktion« erreicht, die er nun mit dem Mittel der Montage endgültig verramschen möchte. Die drei Arbeiten in »Ramsch« (Distillery Press) bieten denn auch »Sinngewinn durch Unfug«. Womit schon der Bereich der »Found Poetry« betreten wäre, in dem sich wiederum der US-amerikanische Lyriker und Performancekünstler John Giorno bestens auskennt. Dessen avantgardistische Arbeit erschließt sich live oder als Film noch besser als auf Papier. Ein Glück, dass Jürgen Schneider mit Giorno gerade die DVD »Inhale« (Hybriden-Verlag) produziert hat. Nur lesen wird schließlich auch langweilig. (jW)
Mehr aus: Feuilleton
-
Wesentliche Dinge
vom 09.10.2019 -
Dietzel, Wien, Scholz
vom 09.10.2019 -
Aus der Welt gefallen
vom 09.10.2019 -
Rotlicht: Rotlicht
vom 09.10.2019 -
Nachschlag: Ein seltener Fall
vom 09.10.2019 -
Vorschlag
vom 09.10.2019